Es gab anfangs 40 über die Stadt verteilte Seminarräume, bis 1911 endlich das Hauptgebäude mit Kuppel errichtet wurde

Eigentlich sollte das Hauptgebäude der Universität gar nicht an seinem jetzigen Platz auf der Moorweide stehen. Und eigentlich sollte es auch gar nicht das Hauptgebäude der Universität werden. Errichtet wurde der eindrucksvolle Kuppelbau 1909 bis 1911 als Vorlesungsgebäude für das 1768 von Johann Georg Büsch gegründete Allgemeine Vorlesungswesen der Stadt.

Die Seminarräume dieser Einrichtung, die um 1910 mehr als 20 000 Hörer aus dem Bildungsbürgertum hatte, waren über 40 Orte in der Stadt verteilt. Ein unhaltbarer Zustand, den der Kaufmann und Reeder Edmund Siemers im Juli 1907 mit der Frage "Brauchen Sie nicht ein Vorlesungsgebäude?" zu beenden in Aussicht stellte. Er hatte diese Frage an Senator Werner von Melle gestellt, der sich als Präses der Oberschulbehörde intensiv für die Gründung einer Universität einsetzte. Zu diesem Zweck hatte der Senator eigens die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung mit einem Vermögen von 4,5 Millionen Mark gegründet. Viel Geld, aber nicht genug, um aus dem Zinsertrag geisteswissenschaftliche Fakultäten zu finanzieren, die gemeinsam mit den bereits bestehenden naturwissenschaftlichen Instituten wie der Seewarte eine Universität ausmachen würden.

Nicht jeder Hamburger wollte die Universität, die konservative Bürgerschaft schon gar nicht. Die nach dem Drei-Klassen-Wahlrecht gewählte Volksvertretung wehrte jede Initiative erfolgreich ab, zuletzt im Frühjahr 1919, als die neue, demokratisch gewählte Bürgerschaft sich noch nicht konstituiert hatte. Doch konnte auch sie Siemers großzügige Spende von einer Million Goldmark nicht ausschlagen. Ausschlagen wollte der Senat aber Siemers Bedingung, dass das Gebäude an der Moorweide gebaut würde, damit dort "ein großer Teil der Bevölkerung täglich an die idealen Aufgaben, denen es zu dienen bestimmt ist, erinnert wird".

Hier hatte von 1882 bis 1889 eine riesige Ausstellungshalle aus Glas und Stahl gestanden, die 1885 abgebrannt und seitdem als Ruine ein Ärgernis gewesen war. Die Moorweide sollte unbebaut bleiben. Doch man gab schließlich nach, ging sogar noch einen Schritt weiter und benannte diesen Teil der Grindelallee in Edmund-Siemers-Allee um - zu Lebzeiten des Spenders.

Im neuen Vorlesungsgebäude sollten neben dem Allgemeinen Vorlesungswesen auch die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung, die Oberschulbehörde sowie vier Dienstwohnungen für "Unterbeamte" untergebracht werden. Dieses Raumprogramm musste im Herbst 1908 durch die Gründung des Kolonialinstituts erweitert werden. Siemers kostete das weitere 500 000 Mark, die er beglich.

Für die neue Bildungsstätte wurde ein Architekten-Wettbewerb ausgelobt. Teilnahmebedingung: Die Architekten mussten Hamburger sein oder doch wenigstens in Hamburg wohnen. Die einstimmig als Preisträger gekürten Architekten Hermann Distel und August Grubitz, beide Anfang 30, erfüllten die zweite Bedingung. Sie kamen aus Süddeutschland und hatten einen Entwurf mit einem zentralen Kuppelbau und vier Lichthöfen eingereicht, um die sich das Gebäude mit insgesamt zwölf Hörsälen und elf Seminaren legte - und das alles im Stil des süddeutschen Neo-Barocks. Neo-Barock war in Hamburg durchaus populär, allerdings in der Regel mit Backsteinen ausgeführt. Distel & Grubitz bevorzugten dagegen einen hellgrauen Rauputz, was aber farblich auch in die aktuelle Hamburger Architekturlandschaft passte. Die Kontorhäuser an der im Bau befindlichen Mönckebergstraße waren grau wie auch die neuen Landungsbrücken und die Bauten der Hochbahn.

Am 13. Mai 1911 wurde der Neubau übergeben. Über seinem Eingang stand in großen Lettern: Der Forschung. Der Lehre. Der Bildung - auf dem Motto hatte Siemers bestanden. Zugleich ein Versprechen für eine künftige Universität. Diese wurde im Mai 1919 gegründet. Seitdem war das weithin sichtbare Vorlesungsgebäude für die Hamburger "die Universität", versteckten sich doch viele Seminare in angemieteten Gebäuden der Umgebung. Nicht unbedingt benötigte Neubauten hatten angesichts der Wirtschaftslage zu unterbleiben. Mitte der 1920er-Jahre wäre ein Neubau finanzierbar gewesen, allerdings fand der Entwurf von Distel & Grubitz keine Befürworter.

Im ursprünglichen Entwurf von 1908 hatten sie flache Flügelbauten vorgesehen, die aber zu klein gewesen wären. Jetzt legten sie einen indiskutablen Plan für ein zwölfgeschossiges Gebäude vor, neben dem das Hauptgebäude verschwunden wäre. Erst in den 1950er-Jahren wurden mit dem Bau des Campus Von-Melle-Park die notwendigen Erweiterungen geschaffen.

Mehrmals stand die Existenz des Hauptgebäudes in den kommenden Jahrzehnten auf dem Spiel. In den 1920er-Jahren wollte Oberbaudirektor Fitz Schumacher die Universität nach Groß Borstel verlegen, weil er in Rotherbaum keine Expansionsmöglichkeiten sah. Die Nazis planten eine Verlegung nach Groß Flottbek - letztlich wurde nur der Botanische Garten hierhin verlegt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Detonationswellen beschädigt, in der Substanz blieb das Stahlgerüstgebäude aber intakt.

An den Aufbauarbeiten beteiligten sich auch Studenten. Bürgermeister Herbert Weichmann wollte es im Zusammenhang mit den Planungen für das Congress Center Hamburg abreißen und durch einen "großzügigen" Neubau ersetzen lassen. 2002 bis 2004 wurde das Hauptgebäude vom Architekturbüro Dinse Feest Zurl behutsam renoviert.

Seitdem bietet es für wissenschaftliche Tagungen einen angemessenen Rahmen und repräsentiert die Universität der Hansestadt international.