Die Eltern krank, da blieb nur die Jugendwohnung

Ein Mädchen aus Wilhelmsburg? Es müsste jetzt eigentlich "ein Mädchen aus Harburg" heißen. Als ich fünfzehn Jahre alt war, bin ich von zu Hause ausgezogen. Ich bin die Jüngste von insgesamt fünf Kindern. Mein Vater ist Frührentner und seitdem ich lebe und auch schon vorher Alkoholiker. Meine Mutter ist ausgebildete Erzieherin und seit ihrem neunzehnten Lebensjahr erkrankt. Es wurde festgestellt, dass sie manisch-depressiv ist. Zur vollständigen Familie gehören noch meine drei älteren Schwestern und mein einziger Bruder.

Wir wollten keinen allein bei unseren Eltern lassen. Schon als kleine Kinder hatten meine Geschwister Unterstützung und Hilfe von außen gesucht, trotz der Horror-Geschichten, die uns unser Vater erzählt hat. Niemand kam und half oder unterstützte uns. Als wir dann älter waren, wussten wir, dass wir es selbst in die Hand nehmen müssen - also wie immer.

Wir haben uns zusammengesetzt und besprochen, was wir machen wollen. Ich bin die Jüngste und somit auch eigentlich diejenige, die am längsten bei meinen Eltern leben sollte. Ich konnte mich also entscheiden, ob ich bei meinen Eltern bleibe oder zu meiner Schwester ziehe oder in eine betreute Wohngruppe gehe.

Ich entschied mich für Letzteres. Also bin ich mit meiner Schwester zum Jugendamt gegangen. Ich bekam eine Sozialarbeiterin zur Seite gestellt. Eine Frau, ich fand sie nicht sonderlich sympathisch. Na ja, das war ja nur, bis ich eine Jugendwohnung gefunden hatte. Das halte ich schon durch, dache ich. Habe ich auch, ich bin in Harburg untergekommen. Jetzt lebe ich schon seit fast zwei Jahren dort. Ich hab viele neue Leute kennengelernt, mit denen ich nun auch zusammenlebe.

Es ist ein komisches Gefühl. Man weiß, dass es nicht das Zuhause ist, dieses Gefühl wird einem auch immer wieder vermittelt. Eigentlich sollte ich mich dankbar schätzen, aber das fällt einem mit der Zeit schwer. Es ist eben nicht, wie man sich ein Zuhause vorstellt. Es ist interessant, wie Leute auf mich reagieren, wenn ich ihnen einen Teil aus meinem Leben erzähle. Manche reagieren, wie ich es mir vorstelle, andere wiederum nicht, aber es ist mein Leben und es sind meine Entscheidungen. Bis jetzt bereue ich nichts.