Im Duo “Dunas“ führen Sidi Larbi Cherkaoui und María Pagés einen Dialog über die eigenen Grenzen hinweg

Flamenco trifft auf zeitgenössischen Tanz. Die Spanierin María Pagés begegnet im Belgier Sidi Larbi Cherkaoui dem Flamenco, was auf Spanisch auch der Flame bedeutet. Die beiden international in ihrer Kunstsparte renommierten Protagonisten führen im Duo "Dunas" (Dünen) einen stilistisch kontrastreichen, tänzerisch erstklassigen Dialog über die eigenen Grenzen hinweg. Wie sich im Begriff Flamenco Lautähnlichkeit und Bedeutungsunterschiede spiegeln, so forschen die beiden Tänzer nach Gemeinsamkeiten und Gegensätzen in den von ihnen kultivierten Tanzformen und deren unterschiedlichen kulturellen Einflüssen.

Pagés aus Sevilla verkörpert in Auftritt und Ausdruck die vielfarbige Tradition und den strengen Kanon des andalusischen Volkstanzes der Gitanos. Der lässige Turnschuh-Choreograf Cherkaoui - aus Alain Platels Talentschmiede in Gent - hat sich von westlichen und asiatischen Tanzformen inspirieren lassen. Er übernimmt von ihnen das Gesten- und Schritt-Material, lässt es aber spielerisch und unorthodox durch seinen Körper und den Raum wandern. Knattert Pagés mit ihren Schuhabsätzen Zapateados auf den Boden, versucht der flämische Flamenco-Partner, es ihr auf Knien gleichzutun, klopft den Takt und rollt auch mal rücklings rasant über die Bühne - für eine Baillera wie Pagés einfach undenkbar.

Dennoch äußert sich der Flamenco-Star begeistert über die harmonische Arbeit mit dem Flamen: "Er hat mir Wege gezeigt, mich zu erkennen - nicht nur in meiner künstlerischen und kreativen, sondern auch in meiner persönlichen Seele. Und ich nehme ihn an der Hand, um ihn zu seinen genuinen Wurzeln zu führen."

Cherkaoui wuchs als Sohn eines Marokkaners in Belgien zwischen zwei Religionen und Kulturkreisen auf. Auch in Spanien bekämpften sich Katholiken, Juden und Muslime ähnlich wie heute im Nahen Osten und im nordafrikanischen Raum. Doch beeinflussten die Glaubensrichtungen auch die Kunst und das kulturelle Leben, durchdrangen und vermischten sich - nicht nur im Tanz, sondern auch in Architektur, Kunst, Musik und Philosophie.

In der zweiten Produktion "Apocrifu", uraufgeführt 2007 am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, beschäftigt sich der Wanderer zwischen zwei Welten mit dem Einfluss jener Schriften, die die jeweils eigene Religion zur einzig wahren erklären. Und er stellt fest, dass sie bei allen Widersprüchen viele Parallelen und gemeinsame Wurzeln aufweisen.

Bücher türmen sich auf der Bühne und den Stufen zu einer Treppe, die an Kirche, Kampfplatz oder Himmelsleiter denken lässt. Hier liefern sich Cherkaoui, der Béjart-Tänzer Yasuyuki Shuto und der französische Akrobat Dimitri Jourde tänzerische Debatten mit Schrift und Schwert zu den mittelalterlichen Gesängen und der Musik der korsischen Gruppe A Filetta.

Den Religionen ist noch etwas gemeinsam: Sie verteufeln und verdammen den Körper als Feind des wahren Glaubens. Sie versuchen den Menschen zur Marionette ihrer Gesetze und Lebensregeln zu machen. Cherkaoui führt eine Gliederpuppe aus dem japanischen Bunraku als vierten Mitspieler ein, um die Unterdrückung des Menschen plastisch vorführen zu können.

Sidi Larbi Cherkaoui - 2004 ausgezeichnet mit dem Movimentos-Tanzpreis - gehört zu den regelmäßig in die Autostadt eingeladenen internationalen Tanzkünstlern. Er zeigte 2006 und 2010 vom Publikum gefeierte Stücke und verspricht auch diesmal, beide Abende zum Erlebnis zu machen.

Dunas 25./26.5., 20.00, KraftWerk;

Apocrifu 28./29.5., 20.00, KraftWerk