“Wahrheit und Schönheit“ spiegelt sich in Texten von Yasmina Reza, Elfriede Jelinek, Oscar Wilde bis Platon

Ein Kunstwerk. Feine weiße Querstreifen auf weißem Untergrund. Davor drei Männer in den besten Jahren, die die Diskussion darüber, ob dieses sündhaft teure Werk nun grandios oder perfider Betrug ist, beinahe um ihre Freundschaft bringt. Die Komödie "Kunst" (20.5./21.5., 20 Uhr, 360°-Kino) der Französin Yasmina Reza, 1994 in Paris uraufgeführt, ist längst ein moderner Klassiker. Sie wurde mit Preisen überhäuft und in 40 Sprachen übersetzt. An unzähligen Theatern war die Komödie ein Kassenhit. Die deutschsprachige Erstaufführung ging 1995 in der Regie von Felix Prader an der Berliner Schaubühne über die Rampe.

Damals standen die langjährigen Ensemblemitglieder Udo Samel, Gerd Wameling und Peter Simonischek als Freundestrio Serge, Marc und Yvan auf der Bühne. Serge hat den echten "Antrios" erworben und will die Gratulation seiner Kumpel einholen. Doch Marc entlarvt ihn als Aufschneider, während der moderate Yvan vergeblich zu vermitteln sucht. Bei den Movimentos Festwochen werden die drei Bühnenstars noch einmal das Männertrio mimen. Regisseur Gerhard Ahrens richtet den Abend wie auch alle weiteren Abende der Reihe als szenische Lesung ein. Wie auch "Kunst" setzen sie sich mit dem Festivalthema "Wahrheit und Schönheit" auseinander.

Maria Schrader, die zuletzt als Darstellerin in Elfriede Jelineks "Die Kontrakte des Kaufmanns" am Thalia-Theater glänzte, liest die "Prinzessinnendramen - Der Tod und das Mädchen" (30.4., 20 Uhr, 360°-Kino) der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin. Märchenfiguren treten darin auf wie Schneewittchen und Dornröschen und ganz reale Persönlichkeiten wie Jackie (Onassis), Sylvia (Plath) und Inge (Bachmann). Der unvermeidlich notwendige männliche Blick materialisiert sich in Gestalt eines Todes im Jägergewand. Gewohnt schonungslos und selbstironisch montiert Jelinek ihr Wandern durch die Mentalitätsgeschichte der Geschlechter.

In Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray" (16.5., 20 Uhr, 360°-Kino) wird die Schönheit zum Fluch. Der unverdorbene Jüngling erliegt, angestiftet vom gebildeten Dandy Lord Henry Wotton, der Versuchung, ewig jung und schön zu bleiben und ausschweifend zu leben, während sein Ölbildnis den Verfall zeigt. Wildes einziger Roman setzt Wegmarken zur Moral und Sinnlichkeit im Viktorianismus und zum Ästhetizismus des Fin de siècle. Robert Stadlober, Heikko Deutschmann und Boris Aljinovic interpretieren den Klassiker. Von einem bösen göttlichen Fluch handelt auch Goethes "Iphigenie auf Tauris" (14.5., 20 Uhr, St.-Bernward-Kirche). Jede Generation muss ein enges Familienmitglied morden. Nun soll Vater Agamemnon seine Tochter Iphigenie für einen guten kriegerischen Ausgang opfern. Doch die Göttin Artemis entführt sie auf die Krim und errettet sie. Iphigenie selbst wird den Fluch brechen. Den antiken Klassiker sprechen die Schauspieler Iris Berben, Thomas Thieme und Sylvester Groth.

Schönheit ist das Thema von "Das Gastmahl - Ein Gespräch" (7.5., 20 Uhr, Heilig-Geist-Kirche) des antiken Philosophen Platon. Hans-Michael Rehberg, Angela Winkler und Alexander Fehling leuchten seine Gedanken aus. Über der Figur des Eros, gemeinhin als Gott einer auf das Schöne ausgerichteten Liebe gedeutet, entbrennt zwischen Sokrates und Diotima ein Streit darüber, ob er nun als Sucher nach dem Schönen und Guten und damit der höchsten Wahrheit verpflichtet sei. Wahre Schönheit gilt hier als ein Ideal jenseits der sinnlichen Schönheit.

Nicht um Schönheit, sondern um Wahrheit geht es in den Texten der österreichischen Autorin Ingeborg Bachmann. "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar" (23.5., 20 Uhr, 360°-Kino) lautete der Titel einer Dankesrede für die Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden 1959. Bachmann lebte ganz durch das Wort in einem wittgensteinschen Sinn. "Ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nicht, wenn ich nicht schreibe", sagte sie. Edith Clever liest aus ihren Texten.

Texte über "Die Wahrheit der Kunst" (2.5., 20 Uhr, 360°-Kino) in Gestalt der von vielen als göttlich verehrten italienischen Schauspielerin Eleonora Duse stellen Susanne Lothar und Sylvester Groth ins Zentrum ihrer szenischen Lesung. Zu Gehör kommen Texte von Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Hermann Bahr, Robert Walser und anderen.

Als Märchenonkel präsentiert sich Schauspieler Otto Sander, der Kinder- und Hausmärchen (9.5., 20 Uhr, 360°-Kino) der Brüder Grimm sowie Kunstmärchen von Oscar Wilde zum Besten gibt. Um eine Wahrheit der ganz anderen Art geht es zu guter Letzt bei Julia von Sell, Thomas Thieme, dem Hamburger Sänger Gunter Gabriel samt Band und einem Wolfsburger Männerchor. "Fallers Leben - Vom deutschen Wesen" (26./27.5., 20 Uhr, Hoffmannhaus Fallersleben) so der Titel ihres Abends mit Gesängen, Satiren und Sauereien, die in jedes gut sortierte deutsche Wirtshaus passen würden.