Die Entwicklung des Künstlerplakates spiegelt die Schau “Phantasie an die Macht“

Die Kunst und der Protest gehen häufig eine fruchtbare Verbindung ein. Heraus kommt dabei in der Regel ein Künstlerplakat. Das politische Plakat ist eine junge Kunstform. Im Ersten Weltkrieg entdeckten die Engländer, dass sich dieses Medium, das zuvor reinen Werbezwecken diente, auch für Propagandazwecke eignet. Seine stets an den historischen Aufregern orientierte Entwicklung ist ab dem 18. März in einer Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe zu beobachten.

"Phantasie an die Macht - Politik im Künstlerplakat" nennt Kurator Dr. Jürgen Döring die Schau, die mit der Debatte um die neue bürgerliche Protestleidenschaft zusammenfällt. Döring betreut seit über 20 Jahren die grafische Sammlung und hat in der Zeit knapp 2000 Exponate zum Thema zusammengetragen und für die Schau die 160 schönsten inklusive acht Leihgaben ausgewählt. Zu jedem ließe sich eine eigene kleine Geschichte erzählen.

Der Titel entstammt dem Aufruf "L'Imagination prend le pouvoir" des französischen Künstlers Pierre Alechinsky zur Zeit der 68er-Unruhen in Paris. Erste Vorläufer finden sich in politisch ausgerichteter Zeitschriftenwerbung etwa des Karikaturisten Alexandre Théophile Steinlen, der in seiner kämpferischen Bildsprache Prototypen lieferte. "Damals gab es noch keine Trennung von bildender Kunst und angewandter Kunst", erläutert Jürgen Döring. "Es gab das Konzept der Originalgrafik. Die Arbeiten waren ja weder signiert noch nummeriert."

Als frühes Beispiel gilt das Plakat für den ersten internationalen Friedenskongress, das Pablo Picasso, selbst Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs, gestaltete. Eine weiße Taube in schwarzer Tusche lithografiert. Erstmals löste er sie aus dem biblischen Kontext heraus, in dem sie den Heiligen Geist symbolisiert. Heute ist sie als Friedenstaube tief im kulturellen Gedächtnis verwurzelt. Seither setzen sich Künstler politisch ein. "In der Regel für die Unterdrückten, die Freiheit, den Frieden, die Menschenrechte, den Umweltschutz, nicht für die Mächtigen oder die Großkonzerne", so Döring. "Einzige Ausnahme blieb die russische Revolution, in der Künstler wie El Lissitzky und Alexander Rodtschenko die Parolen Lenins übernahmen."

In den 68er-Jahren wandten sich die Künstler gegen das konservative Establishment. Der Vietnam-Krieg erhitzte die Gemüter. Die Arbeit des Informelmalers Emilio Vedova "Berlino" von 1968 zeigt fast gegenständlich die von Rudi Dutschke angeführten Studentenproteste. In den 70er-Jahren legte sich der Protest, in den USA ließ sich der Demokrat McGovern zur Wahl aufstellen und in Deutschland regierte Kanzler Willy Brandt. Ziele der Protestbewegung fanden Eingang in die Politik. Fortan richtete sich der Blick auf die Dritte Welt. Antoni Tápies und Joan Miró wandten sich gegen die Unterdrückung ihrer katalanischen Landsleute. 1976 rief Tápies zu einem "Marsch der Freiheit" auf. Vier rote Striche auf goldenem Grund mit einem Fuß sollten zu einem Protestmarsch für die Autonomie Kataloniens nach dem Tode des Diktators Franco aufrufen. Das Plakat durfte nur in Paris hängen.

Die 80er-Jahre sind für Döring nur scheinbar unpolitische Jahre. "Die ganze Political-Correctness-Diskussion wird unser Denken nachhaltig prägen." In der Folge setzten sich Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg, Friedensreich Hundertwasser, Joseph Beuys oder Andy Warhol für die Umwelt ein. Die Immunschwächekrankheit Aids und die Ausgrenzung und Not der Infizierten und die Stigmatisierung der Homosexualität waren in den 80er-Jahren ein großes Thema. Keith Haring schuf als selbst Betroffener etliche Plakate, aber auch Künstlerinnen wie Sophie Calle beteiligten sich 1993 mit "Images pour la lutte contre le Sida".

Nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges beherrschten Globalisierung und US-Wahlaufrufe die Plakatmotive. Robert Rauschenberg begann bereits 1985 eine Ausstellungstour, in der er vor Ort Arbeiten in Staaten entwickelte, die die USA als Gegner betrachteten, Kuba, Ost-Berlin, Peking oder Moskau. Richard Serra verwandte 2004 für ein Plakat, das die Wiederwahl von George Bush junior verhindern sollte, Goyas Gemälde "Saturn frisst seine Kinder". Ein weiteres "Stop Bush"-Plakat mit einem gezeichneten Zitat der Folterszenen in dem US-amerikanischen Gefangenenlager Abu-Ghuraib im Irak fiel der amerikanischen Zensur zum Opfer. Das Original konnte Serra nur übers Internet verbreiten.

Den Plakaten gemeinsam ist, dass sie, anders als jene von Grafikern oder Designern, individuell gehalten sind. Sie zielen nicht darauf ab, schnell les- und interpretierbar zu sein. Das unterscheidet sie etwa von der in der Regel leicht entschlüsselbaren Plakatpropaganda autoritärer Staaten. Die Geschichte des Künstlerplakates ist auch eine des Erfolges. Der Christopher Street Day wandelte sich vom Straßenkampf zum Volksfest. Der Glanz der Atomkraft ist für eine Mehrheit schon lange verblasst. "Protest hat langfristig immer etwas bewirkt."

Phantasie an die Macht - Politik im Künstlerplakat 18.3. bis 2.6., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11.00-18.00, Do 11.00-21.00