Die Schau “Portraits in Serie“ hinterfragt das Verhältnis von Modell und Fotograf

Die Augen der jungen Frau wirken unnatürlich, fast stieren sie bedrohlich. "dana_2.0" hat sogar eine eigene Biografie, die sie als scheue Cyber-Jungfrau beschreibt. Für die Serie "nexus project part I" hat der deutsche Medienkünstler und Fotograf Michael Najjar (geb. 1966) ihre Iris digital modifiziert. Seine Arbeiten hinterfragen zugleich das Medium, dessen er sich bedient.

Häufig wird er mit Thomas Ruff (geb. 1958) gleichgesetzt, dessen Porträts wie ästhetisierte Fahndungsfotos eine seltsame Distanz und Leere ausstrahlen. Die Entwicklung des fotografischen Porträts und seines dialogischen Charakters präsentiert die Ausstellung "Portraits in Serie. Fotografien eines Jahrhunderts" ab dem 1. April im Museum für Kunst und Gewerbe. "A photographic portrait is a picture of someone who knows he is being photographed", befand schon der Fotograf Richard Avedon. Genauso wie Bild und Betrachter, Fotograf und Modell sich gegenseitig aufeinander beziehen, kommunizieren die Fotografen und Werkgruppen miteinander. Die Besonderheit der Serie ist die Vergleichbarkeit.

Die ausgewählten 32 Positionen verdeutlichen vor allem, wie sehr die Fotografie national und international bis heute von der Fotografie des Neuen Sehens und insbesondere der Typologisierungen von August Sander (1876-1964) geprägt ist. Diane Arbus' (1923-1971) Bilder von Exoten der bürgerlichen Gesellschaft wären ohne ihn nicht denkbar. Auch wenn sie keinen gleichberechtigten Dialog mit ihren Modellen führt, sondern ihn dominiert.

Auch die Fotografien von Judith Joy Ross (geb. 1946), etwa die 1983/84 gefertigte Serie "Portraits at the Vietnam Veterans Memorial, Washington, D.C.", in der sie die emotionalen Reaktionen der Besucher vor den Namen der Gefallenen und Vermissten einfing, zeigen einen deutlichen Bezug zu Sander. Die hauseigene Sammlung mit Werken Sanders bildet den Kern der Schau. Mit seinen in den Weimarer Jahren begonnenen Projekt "Menschen des 20. Jahrhunderts" arbeitet sich Sander ausgehend vom bäuerlichen Menschen zum großstädtischen vor. Sein Porträtstil vereint Prinzipien der Neuen Sachlichkeit des Studioporträts bis zur Ikonografie. Stets ist sein fotografischer Respekt den Modellen gegenüber spürbar. "August Sander hat das Gesellschaftsporträt nicht erfunden, aber auf den Punkt gebracht", erklärt Kuratorin Gabriele Betancourt.

In den Anfängen der Porträtfotografie fertigte etwa Hermann Biow (1804-1850) 1848 repräsentative Daguerreotypien der Parlamentarier der Frankfurter Paulskirche an. Aber auch die einfachen Leute wurden zum Objekt von Porträts. Von David Octavius Hill (1802-1870) und Robert Adamson (1821-1848) datieren frühe Aufnahmen von Fischern und Fischersfrauen im schottischen Newhaven.

Helmar Lerski (1871-1956) hat als Gegenposition zu Sander für seine Serie "Köpfe des Alltags" die zerfurchten Gesichter von Obdachlosen oder Wäscherinnen speziell ausgeleuchtet und abgelichtet. Seinen expressiven Stil hat er aus seiner Berliner Theaterfotografie entwickelt, die Gesichter und Hände in besonderer Weise ausleuchtete. Außerdem bediente er sich eines durch den Spielfilm "Metropolis" berühmt gewordenen Close-up-Prinzips. Einen ganz eigenwilligen Dialog führte Irving Penn (1917-2009) nach 1945. Er fotografierte Persönlichkeiten wie Igor Strawinsky oder Truman Capote sich verrenkend und grimassierend in einer Studioecke.

Das Prinzip der Frontalität ist bis heute entscheidend. "Da ist die Konzentration auf die Kamera auch bei kurzen Belichtungszeiten am stärksten", sagt Betancourt. Der Fotograf Kyungwoo Chun (geb. 1969) hat hingegen in der Serie "Thirty Minutes Dialogue" (2000) seine Modelle zum Stillhalten genötigt und lotete mit Langzeitbelichtungen von einer halben Stunde die Tiefe des Bildraumes aus. Die Ausstellung zeigt außerdem eine Serie von Roni Horn (geb. 1955) mit Porträts der Schauspielerin Isabelle Huppert sowie Fotografien von Nan Goldin (geb. 1953) und Cindy Sherman (geb. 1954).

Portraits in Serie. Fotografien eines Jahrhunderts 1.4. bis 26.6., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11.00 bis 18.00