Eine neue Präsentation in der Modeabteilung

Das Kriegsende lag zwei Jahre zurück, aber die Not der Menschen war noch groß. Wenn man selbst mit äußerster Mühe nur die allernotwendigsten Dinge beschaffen konnte, war an Luxus oder Mode nicht zu denken. Ein Ballkleid kaufen? Völlig unmöglich. Trotzdem stand für die junge Lehrerin Renate Zinke 1947 das erste Schulfest vor der Tür. Natürlich wollte sie schick aussehen und ein schönes Kleid tragen.

Also kaufte sie in Berlin für 200 Reichsmark ein großes Stück roséfarbene Seide, die der Verkäufer als Fallschirmseide ausgab. Dafür opferte sie ihr halbes Monatsgehalt. Dann schneiderte sie sich nach der Vorlage aus einem in den 30er-Jahren erschienenen Modejournal ein todschickes Ballkleid.

Jetzt ist es in einer neuen Modepräsentation im Museum für Hamburgische Geschichte zu sehen. In dem Gang, der im Erdgeschoss des Museums die Sammlung historische Kleidung mit der Abteilung "Hamburg im 20. Jahrhundert" verbindet, werden Kleider aus den 20er- bis 70er-Jahren gezeigt.

Das Museum verfügt über einen großen Textilienbestand, von dem schon aus konservatorischen Gründen jeweils nur ein kleiner Teil gezeigt werden kann. Vertreten sind weniger die Kreationen bekannter Modedesigner, sondern vielmehr Kleidungsstücke, die sich ursprünglich in Privatbesitz befunden haben und die meist als Schenkungen ins Museum gekommen sind. "Einerseits spielen für uns kostümgeschichtliche Gesichtspunkte natürlich eine Rolle, andererseits sind Material, Schnitte und Herstellungstechnik interessant. Besonders wichtig ist uns aber die konkrete Geschichte eines Modestücks. Da wir vielfach Schenkungen erhalten, können wir oft nachvollziehen, wem das jeweilige Stück gehört hat und manchmal auch, zu welchen konkreten Anlässen es getragen wurde", sagt die zuständige Kuratorin Dr. Claudia Horbas.

Auffällig ist, dass fast ausschließlich Damenmode gezeigt wird. "Das liegt einfach daran, dass wir kaum Herrenkleidung bekommen haben", meint Dr. Horbas, die mutmaßt, dass Männer zu Kleidungsstücken ein nüchterneres Verhältnis haben als Frauen. Viele Frauen bewahren Kleidungsstücke lange Zeit auf, das eigene Hochzeitskleid vielleicht, ein besonders schickes Ballkleid, mit dem sich schöne Erinnerungen verbinden, manchmal sogar ein Kleid, das die Mutter oder die Großmutter getragen hat. Die eigene Geschichte, die persönliche Erinnerung und das Familienbewusstsein bekommen spätestens dann eine kulturgeschichtliche Dimension, wenn diese Kleidungsstücke ins Museum gelangen.

In einer Vitrine ist zum Beispiel ein Gesellschaftskleid aus dem Jahr 1921 ausgestellt. An diesem selbst geschneiderten Seidenkleid, das mit Wolle handbestickt wurde, lässt sich eine Menge ablesen. So erinnern die Motive der Stickerei an Entwürfe des expressionistischen Künstlers Wenzel Hablik, der mit seiner Frau in Itzehoe eine Handweberei betrieben hat. Bei der Stickerei handelt es sich wahrscheinlich um eine Arbeit der Frauenrechtlerin Antoine Traun (1850-1924). Die Mitbegründerin des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" und des "Bundes Hamburgischer Hausfrauen" verschenkte das wertvolle Kleid an Gertrud Bäumer, die Politikerin, Schriftstellerin und Gründerin des Hamburger Sozialpädagogischern Instituts. Auch sie hat dieses Kleid nicht lange besessen. In der Silvesternacht 1921/22 schenkte sie es einer weiteren Freundin, der Hamburger Bildhauerin Gertrud Weiberlein, die mit Käthe Kollwitz in einem Briefwechsel stand.

Bei dem Stoff, den die Lehrerin Renate Zinke 1957 als Fallschirmseide gekauft hatte - stellte sich bei näherer Untersuchung im Museum heraus -, handelt es sich in Wahrheit um Celluloseester, eine frühe Chemiefaser. Trotzdem hat das elegante Kleid seinen Zweck gut erfüllt. "Da ich Geografie unterrichtete und Karten mit alten Grenzen des Großdeutschen Reichs zu vernichten hatte, konnte ich das Unterkleid aus einer abgelösten großen Landkarte nähen", erinnerte sich Renate Zinke, und fügte hinzu: "Ich tanzte mit diesem Kleid auf meinem ersten Schulfest - es war der schönste Ball meines Lebens."

1996 gab sie das teure Erinnerungsstück als Schenkung ins Museum.

Modeabteilung Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24, , Di-Sa 10.00-17.00, So 10.00-18.00 Uhr: www.Hamburgmuseum.de