Kapitäne und Schifffahrtsexperten führen regelmäßig durch das Internationale Maritime Museum

Der Kapitän steht nicht auf der Brücke, sondern vor einer Besuchergruppe im "Schwimmenden Klassenzimmer" auf Deck eins im Internationalen Maritimen Museum. Auch wenn Hans Trey keine Uniform mehr trägt, ist zu spüren, dass man es hier mit einem Kapitän zu tun hat. Die meisten seiner Zuhörer haben nie zuvor einen Kapitän persönlich getroffen, jetzt hängen sie förmlich an seinen Lippen, denn was er zu berichten weiß, ist spannender als jedes Seemannsgarn.

Hans Trey spricht von einer Revolution, einer wirklichen Umwälzung, die die Seefahrt stärker verändert hat als der Siegeszug der Dampfschiffe ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Er schwärmt von der "Kiste, die die Welt erobert hat". Und dass er sehr genau weiß, was es mit den Containern so alles auf sich hat, ist jede Sekunde zu spüren. Garniert mit interessanten Geschichten und angereichert mit verblüffenden Vergleichen zeichnet Trey die Entwicklung vom Stückguttransport auf konventionellen Schiffen zum Transport von Containern auf Containerschiffen nach.

Wann das alles begann? Der Kapitän hat nicht nur ein korrektes Datum parat, sondern auch eine Geschichte: Am 26. April 1956 setzte der amerikanische Trucker Malcolm McLean, der des ewigen Umladens vom Lkws aufs Schiff und umgekehrt müde war, seine verblüffend einfache und geniale Idee erstmals in die Tat um: Im Hafen von Newark im US-Bundesstaat New Jersey nahm der Frachter "Ideal X" 58 Aufbauten von Sattelschleppern als Ladung an Deck. Fünf Tage später standen im Hafen von Huston/Texas 58 Sattelschlepper bereit, die die 58 gleich großen Aluminiumboxen übernahmen.

Das war die Geburtsstunde der Containerschifffahrt. Trey erzählt, wie es dazu kam, dass es weltweit international genormte Transportbehälter gibt, die sich problemlos von dem einen auf den anderen Verkehrsträger, vom Seeschiff auf die Bahn, vom Lkw auf das Binnenschiff oder umgekehrt verladen lassen. Dadurch reduzieren sich die Transportkosten, die Schiffe liegen viel kürzer im Hafen.

Angefangen hat Hans Trey als Schiffsjunge, später folgte ein Nautik-Studium in Bremerhaven. 1968, mit 32 Jahren, wurde er zum Kapitän ernannt, fuhr auf unterschiedlichen Schiffstypen auf allen Weltmeeren, arbeitete später auch an Land, zum Beispiel als Geschäftsführer der Contrans Gesellschaft für Containerverkehr. Nach seinem Vortrag geht er mit den Besuchern in die Abteilung Seeschifffahrt auf Deck sechs, zeigt die Modelle der verschiedenen Containerschiffe und führt den Besuchern deren Entwicklung anschaulich vor Augen.

Wenn Hans Trey spricht, hört sich das nicht wie ein Fachvortrag an, sondern wie eine spannende Geschichte. Er ist Experte, aber auch Zeitzeuge und Beteiligter. "Mir geht es um eine fachgerechte Information. Aber ich reichere meinen Vortrag gern mit dem eigenen Erleben an. Die Wirklichkeit finde ich viel spannender als alle Döntjes, die über die Seefahrt so erzählt werden", sagt der Kapitän.

Trotzdem kommen auch die Besucher, die spannende Geschichten schätzen, voll auf ihre Kosten. Denn Trey hat in Jahrzehnten auf See genug davon erlebt. So erzählt er zum Beispiel, wie er 1956 an Bord der "August Thyssen" in den Orkan "Betsy" geriet, über Bord gespült wurde und sich und ein anderes Mitglied der Besatzung durch eine glückliche Fügung wieder aus schwerer See an Bord retten konnte. Das Schlüsselbein hatte er sich gebrochen, sein Leben aber behalten. Das hört sich äußerst spannend an, obwohl es mit Seefahrtsromantik nichts zu tun. Der 74-Jährige gehört zur Gruppe jener etwa zehn Experten, die regelmäßig zu Kapitänsführungen ins Internationale Maritime Museum einladen. Es sind nicht nur Kapitäne, sondern auch Lotsen, Schiffsmakler, Klassifikationsexperten und Nautiker - Experten, deren Berufsleben aufs Engste mit der Seefahrt verbunden gewesen ist. Sie berichten über die verschiedensten Themen - von der Piraterie bis hin zur Arbeit eines Lotsen, von der Rettung aus Seenot bis zu den Fahrten der Entdecker.

"Als Peter Tamm die Eröffnung des Museums vorbereitete, haben wir uns zusammengefunden, weil wir unseren Beitrag leisten wollten", sagt Hans Trey. Und was motiviert ihn und seine Kollegen, sich auf diese Weise zu engagieren? "Die Begeisterung für die Seefahrt natürlich", sagt der Kapitän und fügt hinzu: "Außerdem finden wir das Museum großartig, weil es alle Facetten der Seefahrt auf spannende Weise vorstellt - und dabei stets auf dem Boden der Tatsachen bleibt."