Für ihre Ausbildung als Bühnentänzerin in der Schule des Hamburg Ballett verließ Yaiza Coll Suppert ihre Heimat Mallorca

"Bitte schön!", sagt die Ballettpädagogin Carolina Borrajo. Dann gibt sie ihrer Pianistin ein Zeichen und die neun jungen Tänzerinnen aus der Theaterklasse VII der Ballettschule des Hamburg Ballett legen los. Sie sollen in die Rolle der Raymonda schlüpfen, sie ist die Protagonistin des gleichnamigen Stücks vom russischen Komponisten Alexander Konstantinowitsch Glasunow in der Choreographie von Marius Petipa. Immer wieder drehen die grazilen Tänzerinnen in atemberaubender Geschwindigkeit Pirouetten. Anmutig wiederholen sie unentwegt die vorgegebenen Schritte, trainieren Sprünge, strecken ihre Beine hoch in die Luft - stets mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ab und zu nimmt die Ballettlehrerin eine von ihnen zur Seite. "Du musst länger auf der Spitze verweilen und deine Hüfte mehr nach außen drehen", sagt sie zu einer angehenden Ballerina. Dann zeigt sie ihr noch einmal, wie sie sich die Bewegungen genau vorstellt, und schon geht es mit der nächsten Schrittfolge weiter. Viel Zeit zum Atemholen bleibt da nicht.

Eine der Tänzerinnen, die an diesem Nachmittag im Ballettzentrum von John Neumeier trainiert, ist Yaiza Coll Suppert. Während viele Deutsche davon träumen, nach Mallorca auszuwandern, hat sie den umgekehrten Weg eingeschlagen. Im zarten Alter von 13 Jahren verließ sie die Baleareninsel, um im Hamburger Ballettzentrum eine Ausbildung zur Tänzerin zu machen. "Schon als kleines Mädchen von drei Jahren stand für mich fest, dass ich Tänzerin werden will", erzählt die mittlerweile 16-Jährige mit den aufmerksamen, strahlend braunen Augen. Großes Heimweh habe sie im ersten Jahr gehabt und auch mit der fremden Sprache sei es zunächst schwierig gewesen. Mittlerweile spricht die sympathische Nachwuchs-Tänzerin fließend Deutsch, und ihren Realschulabschluss hat sie seit letztem Jahr auch in der Tasche. Das lästige Heimweh gehört längst der Vergangenheit an. "Schon in meinem zweiten Jahr in Hamburg konnte ich mir nicht mehr vorstellen, in meine spanische Heimat zurückzukehren", erinnert sich Yaiza.

In der 1978 gegründeten Ballettschule des Hamburg Ballett werden Jugendliche aus aller Welt im Alter von zehn bis 18 Jahren für den Bühnentanz ausgebildet. Schwerpunkt der Ausbildung ist der klassisch-akademische Tanz. Daneben wird großer Wert auf eine gute Ausbildung in moderner Tanztechnik, Tanz-Komposition und Folklore gelegt. Der Unterricht findet in der ehemaligen Oberrealschule für Mädchen an der Caspar-Voght-Straße in Hamm statt. Das altehrwürdige Gebäude beheimatet insgesamt neun Ballettsäle. Auch ein Internat mit Platz für 35 Schüler ist in dem Gebäude untergebracht.

Die Ausbildung zum professionellen Tänzer dauert acht Jahre. Zum Schuljahresende wird nach einer Prüfung über die Versetzung in die nächste Klasse entschieden. An die ersten sechs Jahre schließt eine zweijährige Weiterbildung in den so genannten Theaterklassen an. Diese haben den Status einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Ballett.

Yaiza, die in Klasse IV eingestiegen ist, gehört seit 2010 zu den Glücklichen, die die Aufnahmeprüfung für die begehrten Theaterklassen gemeistert haben. In insgesamt zwei Jahren wird sie nun zur Bühnenreife geführt, die sie durch eine Abschlussprüfung erlangt. "Unsere Ausbildung gibt jungen Tänzern das nötige Rüstzeug, um sich in der heutigen Tanzwelt behaupten und auch in anderen Ensembles bestehen zu können", sagt Ballett-Chef John Neumeier.

Das klassische Ballett findet für die Jungen und Mädchen überwiegend getrennt statt. Im Gegensatz zu den Mädchen müssen die Jungs mehr an ihrer Kraft, Ausdauer und den Sprüngen trainieren. Der Unterricht beginnt spätestens um zehn Uhr und endet gegen 19 Uhr. Auf dem Lehrplan stehen Klassisches Training, klassische und zeitgenössische Solo-Variationen, Tanz-Komposition, Modern Dance, Pas de deux und Folklore. Hinzu kommen Krafttraining, Anatomie- und Musikunterricht sowie Tanz-, Kunst- und Kulturgeschichte. Zusätzlich erhalten ausländische Schüler Deutschunterricht. Ein hartes Programm. "Der Beruf erfordert unheimlich viel Disziplin, da muss man viel schlafen, gesund und gut essen", erzählt Yaiza. Die zierliche junge Frau bringt bei einer Größe von 1,68 Metern etwa 50 Kilo auf die Waage.

Zu Yaizas Klasse gehören neun Mädchen und zehn Jungen, von denen die meisten ursprünglich nicht aus Deutschland stammen. Und so hört man vor allem in der Kantine ein buntes Sprachgewirr aus Italienisch, Spanisch, Chinesisch, Englisch und Russisch. Sämtliche Schüler nehmen häufig an den Proben und Vorstellungen des Hamburg Ballett teil. Auch Yaiza ist bereits mehrfach auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper vor großem Publikum aufgetreten. Wenn sie davon erzählt, strahlen ihre Augen noch ein wenig mehr. Und sie gerät ins Schwärmen: So gut wie die berühmte argentinische Tänzerin Paloma Herrera würde sie gern irgendwann einmal sein. Und am liebsten möchte sie das Solo im Schwanensee tanzen, weil das Stück "so viel Magie" hat.

Doch erst einmal heißt es für Yaiza: weiter hart arbeiten, gesund und verletzungsfrei bleiben und üben, üben, üben. Denn schon bald wird sie sich für einen Platz in einem Ensemble bewerben müssen. "Es ist heute wahnsinnig schwer, einen Job zu finden", weiß Yaiza, die gern in Deutschland bleiben würde. Doch auch ins Ausland wäre ihr kein Weg zu weit: "Ich will tanzen, egal wo", alles andere sei nebensächlich.