Als Hörgeräteakustikerin ist Stephanie Micheel technisch und menschlich gefordert

Im Hörstudio ist es ganz still. Der Kunde lauscht angestrengt in die Kopfhörer. Seine Hand hält eine Art Steuerknüppel - Patiententaste genannt. Sobald er etwas hört, soll er drücken, hat Stephanie Micheel ihm erklärt. Die angehende Hörgerätakustikerin beim Unternehmen Kind Hörgeräte will die Hörfähigkeit des Kunden ermitteln. Dazu spielt sie sehr hohe bis sehr tiefe Sinustöne per Computer auf den Kopfhörer. Auf einem Formular, dem Audiogramm wird eine Hörkurve erstellt und ausgewertet. "Sie ist nur der erste Schritt und gibt Hinweise auf die Art der Hörstörung", erklärt die 29-Jährige, die im zweiten Ausbildungsjahr ist.

Um die jeweilige Hörstörung einzuschätzen, ist auch medizinisches Fachwissen nötig. Denn der Auslöser kann schlicht ein verstopfter Gehörgang sein, etwas, das Stephanie noch vor dem ersten Hörtest mit dem Otoskop überprüft. Eine fehlerhafte Verarbeitung akustischer Signale kann aber auch an einer Erkrankung des Innenohrs oder der Hörnerven liegen oder im Gehirn verursacht werden.

"Dazu kommt: Hören ist nicht gleich Hören. Tatsächlich hört jeder Mensch anders und muss entsprechend individuell betreut werden", weiß Stephanie. Geduld und Sensibilität im Umgang mit Menschen seien hier gefragt, meint sie. "Gerade Menschen mit Hörproblemen sind oft sehr sensibel, Hörstörungen werden schnell als persönliche Schwäche empfunden."

Dabei ist Schwerhörigkeit längst nicht mehr allein ein Problem von Älteren. Zwar nimmt dieser Teil der Kundschaft stetig zu "weil die Menschen immer älter werden, wächst auch die Zahl der Patienten mit Altersschwerhörigkeit", aber auch unsere Umwelt werde immer lauter. "Und die Menschen geben nicht genug Acht auf ihr Gehör", bedauert Stephanie. Das erlebt sie täglich in der U-Bahn, wenn sie aus deutlicher Entfernung die Liedtexte aus dem Kopfhörer eines Fahrgastes verstehen kann. "Wie viel Dezibel schallen da wohl gerade direkt in seine Ohren?" fragt sie. Vor diesem Hintergrund ist ihr Beruf ein Zukunftsberuf - die Nachfrage nach qualifizierten Hörgeräteakustikern steigt. Lieber sehe sie es jedoch, wenn mehr Kunden zur Vorsorge kämen. "Denn da lässt sich einiges tun", betont sie. "Etwa mit 'Party Plugs', eine Art Disco-Gehörschutz, bei dem Filter dafür sorgen, dass man die Musik noch gut hört." Einen ähnlichen Schutz benutzten auch Musiker. "Die setzen dann allerdings auf maßgefertigten Gehörschutz". Diesen anzufertigen gehört ebenso zu Stephanies Aufgaben, wie das exakte Einstellen von Hörsystemen.

Im Grunde sind Hörgerätakustiker in drei Bereichen tätig: Im direkten Kundenkontakt, am Computer, wo sie etwa Hörgeräte programmieren und Berichte an Ärzte und Krankenkassen schreiben, und in der Werkstatt. Bei der Arbeit an den filigranen Hörsystemen sind eine ruhige Hand und ein gutes Auge gefragt. An den winzigen Geräten mit den maßgefertigten Ohrpassstücken, den Otoplastiken, wird gefräst, gelötet, geklebt und lackiert - mit Mundschutz und Schutzbrille.

Geübt wird das in der Berufsschule in Lübeck, mit integriertem Internat für Auszubildende aus ganz Deutschland. Neben praktischen Fächern stehen etwa Audiologie (die Lehre vom Hören), Wirtschaft, Psychologie und Kommunikation auf dem Stundenplan. "Auch in Physik und Mathe sollte man nicht schlecht sein", sagt Stephanie.

Gute Umgangsformen und eine gute Portion Menschenkenntnis, Empathie und Kommunikationsfähigkeit gehören ebenfalls zum Berufsbild. Für Stephanie ist klar: "Die Mischung aus Handwerk, Medizin und dem direkten Umgang mit Menschen macht den Beruf so vielseitig und interessant."