An was glauben Sie? Der Sternekoch Christian Rach ist ein Mann klarer Worte. Er glaubt an die Schöpfung Gottes und hat zugleich viele Fragen an die Kirche. Über alles stellt er die heilende Kraft einer gemeinsamen Familienmahlzeit

Er ist ein Mensch, der sich gern reden hört. Auf eine kurze Frage kommt eine ausgiebige Antwort. Ganz viel Wissen streut Christian Rach ein, als würze er eine Sellerierahmsuppe mit Ingwer-Kastanienhaché, wie sie auf der Speisekarte seines Restaurants Tafelhaus an der Elbe angeboten wird. Der Spitzengastronom kocht nicht nur gern, es macht ihm offensichtlich Spaß, anderen zu erklären, wie die Welt funktioniert.

Der 53-Jährige hat schließlich viel gelesen und viel nachgedacht. Er hat zwölf Semester Philosophie und Mathematik studiert. Und zwischen Vorlesungen und Seminaren gemerkt, dass er statt des stillen Kämmerleins eine Bühne braucht, auf der er wirken und werden kann. Der gebürtige Saarländer suchte sich einen Job in der Gastronomie und fing an zu kochen. Tagsüber saß er in der Uni, abends stand er in der Küche der Filmhauskneipe in Ottensen. "Und dann war der Laden voll", sagt er. Gegen den Willen seiner Eltern entschied er sich für eine Karriere am Herd. Er machte eine Kochausbildung im Strandhof bei Uwe Witzke. Eine Entscheidung, die er nie bereut habe.

1991 hat er sich in seinem Tafelhaus einen Stern erkocht, sechs Jahre später feierte er sein Debüt als Fernsehkoch und Restauranttester. Fast jeder kennt ihn und seine Sendungen auf RTL. In der einen besucht er nahezu insolvente Lokale, um sie vor dem Ruin zu retten. In der anderen gibt er gescheiterten Menschen eine Perspektive. Die Einschaltquoten sind so gut, dass er sein Restaurant im September schließen wird. Der Starkoch ist dann nur noch Fernsehstar.

Zukünftig also nur noch Rach, der Retter? Er schüttelt den Kopf. "Ich helfe den Menschen", sagt er, "aber ich rette sie nicht." Retten müsse sich jeder selbst. Er selbst habe nie um Hilfe gebeten, sagt er. "Ich wusste eben, was ich will. Und meine Familie hat mich unterstützt." Sie sei ihm das Wichtigste. "Sie ist das Netz, das mich immer wieder auffängt", sagt er.

Es muss ein sehr strapazierfähiges Netz sein, denn bei einer 80-Stunden-Woche zwischen Gourmettempel und Dokusoap bleibt dem zweifachen Vater wenig Zeit fürs Familienleben. "Es geht nicht um die Quantität der Zeit, die man miteinander verbringt", sagt er, "sondern um die Qualität." Das gemeinsame Frühstück sei ihm heilig. Dafür nehme er sich Zeit. Zwei Stunden plane er ein, damit sich jeder am Tisch entfalten könne. Weil das so wichtig sei, um sich selbst zu spüren. "Zusammen am Tisch zu sitzen ist Kommunikation", sagt er. "Man redet und tauscht sich aus, zeigt Interesse - und darin zeigt sich Liebe." Einmal in der Woche kocht Christian Rach mit seiner Familie zu Hause. Um auch anderen Kindern gesundes Essen nahezubringen, setzt sich der Koch für die Organisation Children for a better world ein, die Ernährungsprojekte an sozialen Brennpunkten unterstützt.

Die gemeinsamen Mahlzeiten sind etwas, für das Rach gern in der Öffentlichkeit wirbt. "Man muss die Menschen wieder an einen Tisch holen", sagt er. Gemeinschaftliche Essenszeiten sollten auch in der Schule geschaffen werden. "Dann gibt es erwiesenermaßen weniger Konflikte, weil vieles schon am Tisch geklärt werden kann." Überhaupt müsse man sich öfter an einen Tisch setzen, miteinander reden, zuhören, aber auch Meinungen äußern. Das wünsche er sich auch von der Kirche: klarere Meinungen zu kritischen Themen und mehr Authentizität, auch wenn man sich damit Feinde schaffen könne. Als moralisch-theologische Instanz müsse sich die Kirche Fragen und Konflikten stellen und dürfe nicht wie ein Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecken. "Ich hätte mir zum Beispiel deutlichere Worte von der Kirche gewünscht, als die Missbrauchsfälle öffentlich wurden", sagt Rach. Auch in seiner Kindheit und Jugend sei sein Pfarrer ihm manche Antwort schuldig geblieben.

Aufgewachsen ist Christian Rach in dem saarländischen Städtchen St. Ingbert. Die Eltern waren streng katholisch. Der sonntägliche Gottesdienst war ein Ritual, über das ein Junge nicht reflektieren sollte. Fragen waren nicht erwünscht. Der Gang in die Kirche war Pflicht. Überzeugt haben ihn die Veranstaltungen nicht. "Damals war mir das egal", sagt Rach. Aber heute bedauere er die Versäumnisse seiner Pfarrer und Religionslehrer. "Uns Schülern wurde im Religionsunterricht keine Sinnhaftigkeit vermittelt, sondern man hat uns die Dinge eingetrichtert", sagt er. Hinterfragen, das sei strengstens verboten gewesen. "Als meine Klassenkameraden und ich in der sechsten Klasse lebhaft über die Jungfräulichkeit Marias diskutierten, wurde das Gespräch kurzerhand vom Pfarrer beendet", erinnert sich Rach. Auch auf Fragen zum Zölibat, für die pubertierenden Jungen ein spannendes Thema, gab es damals keine Antwort. "Ich habe zu viele Fragezeichen von der Kirche mitbekommen", bemängelt er.

Und dennoch hat sich Christian Rach nicht vom Glauben abgewandt. Seine Kinder sind getauft, in regelmäßigen Abständen geht die Familie zum katholischen Gottesdienst. Eine Lebensgemeinschaft, die christlich geprägt ist, sei gut und richtig, findet Rach. Seinen Kindern hat er klare Werte vermittelt: offene Kommunikation, Zuverlässigkeit und Vertrauen.

Von Gott hat Deutschlands bekanntester Restaurantkritiker seine ganz eigene Definition. Gott, das sei eine Kraft, die jedem Menschen innewohne. "Man muss sich die Zeit nehmen, in sich hineinzuhorchen, um diese Kraft zu spüren und sich zu erden. Dann ist man Gott ganz nah." Er habe dieses Gefühl oft im Frühling, wenn die Natur erwache. "Dann stehe ich unter den Lindenbäumen an unserer Straße, schaue hinauf in die Baumkronen und fühle die Kraft, die aus dem Erdreich hinauf bis zu den Knospen strömt." Es sind Momente der Schöpfung, die ihn tief berühren. Jeder habe doch solche Momente, der eine abends beim Blick in den Sternenhimmel. Der andere beim stillen Genießen einer schönen Mahlzeit, sagt Rach. Dazu wolle er mit seinem Wirken beitragen. Ob es ihm gelingt? "Entscheidend ist der abgeleckte Teller", sagt er und geht: kochen.