Charles Gounods “Faust“ feiert Premiere an der Staatsoper

Charles Gounods "Faust" ist eines der ersten Sittengemälde der bürgerlichen Epoche. Als der Komponist 1859 die erste Fassung seiner Oper herausbrachte, war die Revolution von 1848 gescheitert, die Republik ebenso, und Napoleon III. herrschte mit eiserner Hand. Die verwinkelten Straßenzüge der Hauptstadt wurden abgerissen, und das neue, mondäne Paris entstand.

Der revolutionäre "Citoyen" alten Schlages hatte somit endgültig ausgedient und mit ihm das heroische Pathos in Kunst und Musik. Der Typ des neuen Zeitalters war der "Bourgeois": wertkonservativ, fromm - und unterhaltungssüchtig. Gounods "Faust" traf den Nerv dieser Zeit. Seine Oper bot viel Gefühl, Sex und Crime, ein Defilee der schärfsten Schönheiten der Weltgeschichte und ein moralisches Happy End, bei dem die reuige Sünderin von Engeln in den Himmel entrückt wird.

Der Komponist dieses Opernhits war tatsächlich ein tiefgläubiger Mann. Von Amts wegen war Gounod eigentlich Kirchenmusiker und Organist - sein "Ave Maria" ist bis heute sein größter Hit. Und auch die offizielle Hymne des Vatikans stammt aus seiner Feder. Doch der einzige Weg zum Ruhm führte für Komponisten im Paris der Zeit über die Oper, und die zeigt nun mal bevorzugt das pralle Leben.

Vorlage für Gounods "Faust" ist denn auch weniger Goethe als vielmehr das Boulevardstück "Faust et Marguerite" von Michel Carré. Vom Sinnsucher des deutschen Dichterfürsten ist in Carrés Fassung ein in die Jahre gekommener Gelehrter geblieben, den die alterstypischen Wünsche und Probleme im Angesicht junger Frauen plagen. Und auch Mephistopheles ist nicht länger das metaphysische Prinzip, "das stets verneint", sondern ein Unterhaltungschef mit unbegrenzten Ressourcen an Viagra, vulgo Verjüngungstränken, und Taschenspielertricks.

Es ist vor allem Gounods Musik mit ihrem melodischen Reichtum, die diese Tragödie im Boulevardformat zur großen Kunst adelt. Die zweite Fassung, die der Komponist 1869 herausbrachte, erlebte alleine an der Pariser Opéra 3000 Aufführungen. Und die New Yorker Metropolitan Opera wurde 1883 mit dem "Faust" eröffnet. Gounod etablierte nicht nur die neue Form der "Opéra lyrique", er prägte auch auf Jahrzehnte hinaus das Stilideal der französischen Musik: "klar, sauber, distinkt, exakt".

Die Hamburgische Staatsoper hat mit Giuseppe Filianoti in der Titelrolle nun einen der führenden lyrischen Tenöre unserer Zeit engagiert. Ihm zur Seite stehen Alexia Voulgaridou (Marguerite), Tigran Martirossian (Méphistophélès) und George Petean (Valentin). Für große Stimmen ist also gesorgt. Am Dirigentenpult steht der junge Cornelius Meister. Der war nicht nur Assistent von Pierre Boulez bei der Neuproduktion des "Parsifal" 2004 in Bayreuth, sondern hat auch an der Staatsoper schon großes Repertoire wie Strauss' "Arabella" dirigiert. Die Regie schließlich liegt in den Händen eines alten Theaterhasen: Andreas Homoki ist Leiter der Komischen Oper Berlin und designierter Intendant in Zürich.

Faust Premiere 30.1., 18 Uhr, Staatsoper. Weitere Vorstellungen: 2., 5., 9., 12., 16., 19., 22.2., jeweils 19 Uhr. Karten unter Telefon 35 68 68