Der polnische Klavierpurist Piotr Anderszewski ist Artist in Residence der Elbphilharmonie Konzerte

"Gibt es ein Leben nach Alfred Brendel?" So fragte ein englischer Kritiker, als der Tastenphilosoph sich 2008 aus dem Konzertleben zurückzog. Und präsentierte eine Liste von sechs Pianisten, denen er zutraute, Brendels Erbe anzutreten, darunter der polnisch-ungarische Pianist Piotr Anderszewski.

Tatsächlich umgibt den heute 41-Jährigen eine Aura von Selbstkritik, Unbedingtheit und Grüblertum, wie sie für Mitglieder des Ordens der pianistischen Edelsteinschleifer typisch ist. So brach Anderszewski den einzigen Klavierwettbewerb, an dem er je teilnahm, die Leeds Piano Competition 1990, mitten im Stück ab, weil er mit seiner Interpretation unzufrieden war. Und als die Teldec ihm eine CD-Produktion mit seinem Vorzeigewerk, Beethovens Diabelli-Variationen, antrug, schlug der Perfektionist kurzerhand aus. Zu kalt und kalkuliert sei die Arbeit im Studio. Entweder live oder gar nicht.

Unbeirrbar polierte Anderszewski seither an seinem relativ schmalen Konzert-Repertoire: Bach, Mozart, Beethoven und Schumann stehen da obenan. Als polnischer Pianist zum Chopin-Jahr Chopin spielen? Pah! Anderszewski spielt lieber die lange nicht so bekannten Werke von Karol Szymanowski. Auch sonst gibt er sich betont idiosynkratisch und herrlich altmodisch: Liszt? "Grauenvoll!" Neue Musik? "Vielleicht eines Tages Ligeti." Popmusik? "Ich mag die Beatles, was anderes kenn ich nicht." Weniges spielen, aber das perfekt ist seine Devise.

Als Residenzkünstler der Elbphilharmonie Konzerte kommt Anderszewski nun für vier Konzerte nach Hamburg. Und die Veranstalter haben es geschafft, dem Klaviereigenbrötler kongeniale Partner an die Seite zu stellen: Mit dem Inbegriff geigerischer Ernsthaftigkeit, Frank Peter Zimmermann, wird Anderszewski Schumann und Szymanowski spielen. Das Londoner Belcea Quartet erwies sich jüngst bei seinem Konzert in den Mozart-Sälen als perfekt abgestimmtes Spitzenensemble; mit ihnen interpretiert Anderszewski Schostakowitsch' Klavierquintett. Den Auftakt macht ein Konzert mit der Kammerphilharmonie Bremen. Den Abschluss bildet selbstverständlich ein Solorezital mit Bach.

Wer den Menschen hinter der freundlich-zurückhaltenden Fassade näher kennenlernen möchte, dem sei der Film "Wanderer ohne Ruhe" empfohlen, den der auf Pianistenporträts spezialisierte Filmemacher Bruno Monsaingeon gedreht hat.

Piotr Anderszewski, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen 6.3., 20 Uhr, Laeiszhalle

Piotr Anderszewski, Frank Peter Zimmermann 16.4., 20 Uhr, Laeiszhalle

Wanderer ohne Ruhe 17.4., 15 Uhr, Abaton-Kino

Piotr Anderszewski, Belcea Quartet 10.5., 20 Uhr, Laeiszhalle

Piotr Anderszewski Recital 11.5., 20 Uhr, Laeiszhalle; Karten unter T. 35 76 66 66