Beim Pilotprojekt Riedsiedlung in Horn mit ihren 17 Wohnungen im Passivhausstil müssen Mieter aktiv mitwirken

Die Bewohner der Riedsiedlung in Horn stehen unter besonderer Beobachtung durch ihren Vermieter, die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga GWG. Nicht, weil es Probleme gäbe, sondern weil sie in einem Pilotprojekt wohnen und mit dazu beitragen können, dass Saga GWG wichtige Erkenntnisse für die Zukunft gewinnt.

In der Riedsiedlung hat Saga GWG 2004 ihre ersten beiden, bislang einzigen Passivhäuser gebaut. Seitdem werden die Verbrauchswerte dieser Häuser gemessen und mit denen von zwei baugleichen benachbarten Niedrigenergiehäusern verglichen.

Hier kommen die Mieter ins Spiel, denn in einem Passivhaus gelten besondere Regeln. Öffnen sie beispielsweise die Fenster allzu häufig oder lange zum Lüften, kommt das ausgeklügelte technische Konzept durcheinander, und die theoretisch ermittelten Werte sind in der Praxis nicht zu erreichen. Den Mietern in der Riedsiedlung kann Lutz Basse, Vorstandsvorsitzender von Saga GWG, jedoch nur ausdrücklich ein Lob aussprechen: "Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Werte immer besser werden, weil Nutzer und Betreiber zunehmend besser mit der Technik und dem Haus umzugehen verstehen."

Passivhäuser seien komplexe, technisch sehr anspruchsvolle Gebäude, die besondere Anforderungen an den Betreiber stellten. Lutz Basse nennt sie "Wohnmaschinen" und zieht einen Vergleich mit einem Neuwagen, der auch erst eingefahren und eingestellt werden müsse. "Ein Passivhaus ist durch eine normale Hauswarttätigkeit nicht mehr zu regeln. Der Betreiber muss den Betrieb professionalisieren." Wie beim Auto könnten die besten Techniker auch bei einem Passivhaus nur wenig ausrichten, wenn die Bewohner Fehler machen. "Man braucht eine interessierte Mieterschaft. Wie in der Riedsiedlung."

Auf großes Interesse der Mieter hofft Basse auch bei dem aktuellen Neubauprojekt der Saga in Wilhelmsburg, wo im Weltquartier im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 250 neue Wohnungen in Passivhäusern entstehen. "In der Riedsiedlung haben wir 17 Wohnungen im Passivhaus-Standard. Wir sind gespannt, ob das große Experiment in Wilhelmsburg auch funktioniert."

Die ermittelten Vergleichswerte in der Riedsiedlung hätten gezeigt, dass man bei der Energie- und CO2-Einsparung an die theoretisch ermittelten Werte herankomme und somit einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leiste, erläutert Stefan Henze, Leiter der Saga-GWG-Geschäftsstelle in Hamm. "Man darf bei einem Passivhaus maximal 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr einsetzen, um die Wohnungen zu beheizen." Bei einem Niedrigenergiehaus sind es 45 Kilowattstunden. Zum Vergleich: Ein ungedämmtes Haus aus den 1960er-Jahren verbraucht 250 bis 350 Kilowattstunden. Allerdings, so Henze, würden die Mieter bei den Betriebskosten im Vergleich mit dem benachbarten Niedrigenergiehaus nicht sparen, wenn man alle Kostenarten gegeneinander verrechne: "Für die notwendige Be- und Entlüftung entstehen zusätzliche Stromkosten, und dann muss auch noch die Wartung bezahlt werden." Im Endeffekt entstehen jedoch bei Passiv- und Niedrigenergiehäusern gleich hohe Nebenkosten.

Künftig will Saga GWG immer dann im Passivhaus-Standard bauen und teilweise auch modernisieren, wenn es technisch und wirtschaftlich machbar ist. Lutz Basse: "Hierüber gibt es eine Vereinbarung mit dem Senat. Ziel ist es, weitere Erfahrungen zu sammeln und diese zu evaluieren. Wir werden die Ergebnisse in die Politik zurückspielen, als Basis für weitere Entscheidungen." Das gilt nicht nur für Neubauten. Bei dem wichtigen städtebaulichen Thema "Bauen im Bestand" sollen bei der Modernisierung des Weltquartiers in Wilhelmsburg Erkenntnisse gesammelt werden, inwieweit sich Teile der Passivhaus-Technologie in Bestandsbauten integrieren lassen. "Bei einem Objekt wollen wir sogar eine vollständige Modernisierung im Passivhaus-Standard vornehmen", sagt Basse.

Die Möglichkeiten, Passivhäuser zu optimieren, seien noch nicht ausgereizt, betont Basse. Derzeit zwinge der hohe Anteil an Dämmung mitunter zu technischen und architektonischen Kompromissen. "Da hat man nicht mehr so viele Gestaltungsmöglichkeiten wie früher. Im Einzelfall kann ein Passivhaus schon mal trivial aussehen." Zukünftig müsse man sich verstärkt Gedanken machen, wie man durch bessere Technik zu weiteren Einsparungen kommen oder wie ein Haus sogar selbst Energie erzeugen könne. Man stehe erst am Anfang einer Entwicklung. Deshalb sei es wichtig, so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln.