Gemessen an den üblichen Nachhaltigkeitsindikatoren gehört Hamburg kaum zu den Spitzenreitern der "grünen" Stadtentwicklung. Die Benutzung des Autos für Fahrten in die Stadt liegt noch eher auf dem Niveau von Kassel als auf der Ebene vergleichbarer Metropolen. Die Versorgung mit städtischen Grünflächen ist erfreulich, hinkt aber beispielsweise hinter Hannover her. Auch der Bau des Kohlekraftwerks Moorburg hebt Hamburg nicht in die Spitzenliga der grünen Städte.

Warum ist Hamburg dann Umwelthauptstadt ? Man kann die Antwort auf zwei Begriffe reduzieren: Der Umwelthauptstadt-Titel ist zugleich Chance und Versprechen. Worin liegt die Chance? Die Hansestadt ist unter Klimagesichtspunkten eine verletzliche Stadt. Die beunruhigenden Meldungen über steigende Meeresspiegel, mehr Extremwetterlagen und höhere Sturmflutgefahren rufen bei vielen Hamburgern schlimme Erinnerungen an 1962 wach. Nicht nur die Bewohner der sturmflutgefährdeten Stadtteile - immerhin ein Drittel der Hamburger - fragen sich, wie die Stadt gegen die Gefahren gewappnet werden kann. Eine Frage, die sich drei Viertel aller Metropolen weltweit stellen, denn so viele sind von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Als Umwelthauptstadt hat Hamburg die Chance, vorbildliche stadtplanerische Lösungen zu entwickeln, die zeigen, wie man einerseits die klimaschädlichen Gase vermeidet, andererseits dem Klimawandel trotzt. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) werden hierzu gegenwärtig modellhafte Vorhaben entwickelt. So wird z. B. mit dem Klimaschutzkonzept "Erneuerbares Wilhelmsburg" gezeigt, wie sich ein ganzer Stadtteil mit Wind, Sonne, Biomasse, Erd- und Wasserwärme klimaneutral mit Wärme und Strom versorgen kann.

Aber auch im Bereich der Anpassung an den Klimawandel können neue Wege beschritten werden. Die schwimmenden Häuser auf dem Eilbekkanal oder die Waterhouses der Internationalen Bauausstellung werden da wohl die attraktive Ausnahme bleiben.

Aber warum nicht die Deiche und Hochwasserschutzanlagen stärker in die Landschafts- und Freiflächengestaltung einbeziehen? Die bevorstehende Aufgabe des Zollhafens bietet viele Möglichkeiten, den Hamburgerinnen und Hamburgern den Zugang zum Hafen und zur Elbe zu ermöglichen. Mit der Öffnung des Spreehafens im Juni 2010 wurde für Wilhelmsburg und die Veddel ein Anfang gemacht. Mit dem Deichparkkonzept, das die IBA gegenwärtig mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), Hamburg Port Authority (HPA) und der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) erarbeitet, wird ein Vorschlag erarbeitet, um Hochwasserschutz und Stadtentwicklung miteinander in Einklang zu bringen. Damit ist der Kanon der Möglichkeiten einer grünen Stadtentwicklung jedoch nicht ausgeschöpft. Ob Stadtbahn oder energetische Hausmodernisierung, Elektromobilität oder städtische Landwirtschaft - das Spektrum ist riesig. Darin liegt auch die Gefahr der Beliebigkeit. Weniger ist manchmal mehr.

Das Entscheidende aber ist, dass bei den Menschen die Lust auf eine umweltfreundliche Zukunft geweckt wird. Hier liegt die eigentliche Herausforderung des stolzen Titels Europäische Umwelthauptstadt. Soll er mehr sein als ein temporäres Banner des Stadtmarketings, muss Hamburg sich zu konkreten Projekten verpflichten.