In der ARD-Märchenverfilmung “Das blaue Licht“ nach den Brüdern Grimm überrascht Veronica Ferres mit zwei Gesichtern

"Mein wahres Ich ...", scherzt Veronica Ferres, als sie im September am Ende eines großen Abendblatt-Interviews auf ihrem iPhone ein Foto aufruft. Es zeigt die Schauspielerin als Hexe geschminkt. Runzelige Haut, verfilztes Haar, verkniffener Mund. Das Bild war während der Dreharbeiten zu dem Märchenfilm "Das blaue Licht" entstanden, in dem das einstige "Superweib" bewundernswerten Mut zur Hässlichkeit beweist. Am ersten Weihnachtstag können jetzt auch die Fernsehzuschauer über die zwei Gesichter der Veronica Ferres staunen, dann startet die ARD-Märchenreihe "Sechs auf einen Streich" mit ihrem Film.

Die Verwandlung von der lockenden Verführerin in eine runzelige Vettel muss der Schauspielerin ungeheuren Spaß an ihrer Metamorphose und Rolle gebracht haben. "Es ist die böseste Frauenfigur, die ich je gespielt habe", erzählt die 45-Jährige strahlend. Die langen blonden Haare offen, das schwarze Kleid schmeichelhaft, genießt sie den Kontrast zwischen ihrem entspannt-freundlichen Auftritt beim Interview und dem als furchterregende Filmfigur. "Herrlich und spannend, einmal richtig böse sein zu können. Ich habe schon Mörderinnen dargestellt, aber das war etwas anderes, denn das ist immer psychologisch begründet gewesen."

Für das abgrundtief ekelhafte und fiese Monster, wie sie sagt, hat Ferres eine Tortur in der Maske mit mehreren Schichten Kunststoff auf sich genommen. "Die dicken Warzen im Gesicht waren die erste Stufe, dann wurde mir der Mund geklebt", berichtet sie, rückblickend kann sie sich über die Dreharbeiten bei 35 Grad im Schatten in der Nähe von Fulda sogar amüsieren. "Vier bis fünf Stunden brauchte ich, um in die Silikonmaske hineinzukommen", sagt Ferres. "Und drei Stunden hat es gedauert, um sie wieder auszuziehen. Das benötigt nämlich Zeit, sonst besteht die Gefahr, dass die Gesichtshaut mit abgeht. Ich konnte nichts essen, nur mit dem Strohhalm trinken, wegen des kleineren, geklebten Mundes." Offenbar beschert nicht nur das Schönseinwollen einiges Leiden, sondern auch das Hässlichwerden. Vor dem Verschlingen der lebenden Schnecke - wie es das Drehbuch verlangte - hat die alle Mühen unerschrocken ertragende Verwandlungskünstlerin allerdings gekniffen. "Ich bin kein französischer Gourmet", sagt sie. "Es gab einen Schnitt, und was ich dann wirklich geschluckt habe, war Marzipan."

Andere Probleme - das gebückte Gehen, die durch die Maske erschwerte Atmung, das eingeschränkte Gesichtsfeld - steckte Ferres klaglos weg. "Das gehört doch zu meinem Beruf", sagt sie trocken und gibt zu bedenken: "Jede Verwandlung in eine Figur erfordert einen Kraftakt, nicht nur äußerlich, sondern vor allem innerlich. Ich habe versucht, mich in wilde Tiere hineinzuversetzen und beispielsweise an einen Aasgeier gedacht." Der faltige Hals und die langen Klauen an den Händen erinnern tatsächlich an einen Raubvogel.

Ferres verkörpert in ihrer Hexe das Böse an sich, sie täuscht die schöne Gestalt nur vor. Vom Schein geblendet, geht ihr der junge Soldat Jakob, gespielt von Christoph Letkowski, willig in die Falle. "Dreimal ist die Suppe fein, dann bist du für immer mein." Zufällig entdeckt der Gutgläubige beim Essen in der Spiegelung der Brühe das wirkliche Gesicht der Zauberin.

Verfolgt der Zuschauer aufmerksam das Spiel von Ferres, entgehen auch ihm nicht das falsche Lächeln und die unheimlichen, boshaft funkelnden Blicke. "Die Geschichte zeigt den Kindern, dass man nicht nur auf Sichtbares achten soll und hinter jeder schönen Fassade auch etwas Böses stecken kann."

Nur eine der Lehren, die das Märchen vom "Blauen Licht" spielerisch vermittelt. Eine andere Weisheit, mit Blick auf die Bankenkrise durchaus aktuell, wäre: Vorsicht, Gier stürzt dich ins Unglück. "Märchen helfen uns, menschliche Abgründe und Schwächen, aber auch die eigenen Ängste kennenzulernen und sie zu überwinden", weiß Ferres aus eigener Erfahrung. "Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich als Kind um die Geißlein gezittert habe, die der Wolf fressen will, und welche Befreiung es für mich war, wenn die sieben am Schluss munter aus dem Bauch herausspringen." Wie ihr die Mutter das Lieblingsmärchen vorgelesen hat, liest auch Veronica Ferres mit ihrer Tochter Lilly die manchmal grausamen Geschichten von den Brüdern Grimm. Denn die Schauspielerin ist überzeugt: "Das Durchleben von Ängsten und ihre Überwindung gehört zum Reifeprozess des Erwachsenwerdens dazu."

"Das blaue Licht" und die anderen neuen Märchenfilme wurden mit Staraufgebot und großem Aufwand in zwei Jahren an 18 Drehorten produziert. Die ARD-Reihe zu Weihnachten haben 2008 und 2009 jeweils drei Millionen Zuschauer gesehen. Iris Berben spielt in der "Prinzessin auf der Erbse", Matthias Brandt ist in der Titelrolle von Andersens "Des Kaisers neue Kleider" und Max von Thun neben Ann-Kathrin Kramer und Armin Rohde als "Meisterdieb" Robert zu sehen. Wie die Kinder in den Geschichten die Welt kennenlernen sollen, bekommen auch die Schauspieler Gelegenheit, neue Seiten von sich zu entdecken oder sogar ihr "wahres Ich" - wie Veronica Ferres selbstironisch flachst. Auch Hässlichkeit hat ihre Schönheiten.

Sechs auf einen Streich in der ARD: Sa 25.12.: Rapunzel (14.40 Uhr), Das blaue Licht (15.40 Uhr), Die Prinzessin auf der Erbse (16.40 Uhr); So 26.12.: Tischlein deck dich (14.05 Uhr), Der Meisterdieb (15.05 Uhr), Des Kaisers neue Kleider (16.05 Uhr).