Maria und Josef hatten es auch nicht leicht. Gerade das macht sie so menschlich

Jesus hat sie erlebt, Frau Schneider-Lützgendorf auch; und wer keine hatte, sucht sich eine: Familie. Man stammt immer aus einer, selbst wenn man sie verflucht oder es vermeidet, in ihr weiterzuleben. Und was einem mit den eigenen Kindern und Partnern gelingt, beruht oft auf dem, was früher zu Hause gelang. Dies und mehr wird wach, wenn man die Heilige Familie anschaut, so traulich und so arm, wie sie da hockt und steht und liegt.

Wie es die Obrigkeit verlangt, ziehen sie tagelang zu Fuß umher. Keine Spur der Empörung, keine Atteste. Man tut, was alle tun - Maria also mit Gott unter dem Herzen. Aber folgen sie nur der Staatsräson, oder kann man dieser Geschichte abspüren, dass eine andere Macht dahintersteckt, die aus Regierungsdekreten eine göttliche Fügung strickt?

Alle erscheinen so folgsam, zum Beispiel Maria. Als alles losging mit dem ungebetenen Engel im Zimmer: "Der Heilige Geist wird über dich kommen, du wirst ein Kind von Gott haben!" Aber was sagt Josef, der Verlobte, dazu? Er folgt auch, allerdings mit einer Mischung aus Wut und Anstand.

Doch sie tun, was angesagt ist. Und durch dies Tun schimmert ein göttlich-guter Wille, der selbst ankommen möchte und unter denen leben will, die er gemacht hat. Die Weihnachtsgeschichte strahlt wohl deshalb immer noch so hell, weil in ihr aus widersinnigen Einzelheiten "Heil" erwächst: eine Frau, die ein Kind bekommt von einem, den sie nicht erwählt hat. Ein Mann, der zu ihr hält, auch wenn er dabei ein Kind adoptieren muss, das er nicht gezeugt hat. Und dann kommt es in diesem verkorksten Ambiente zwischen Kuhfladen und Stallwand zur Welt.

Aber das wäre doch etwas, wenn auch unsere verdrehten Familienverhältnisse sich schließlich zu einem guten Sinn fügen würden. Viele warten ein Leben lang darauf. Die Krippe mit dieser Familie erzählt davon, was passieren kann, wenn man einfach im Glauben weitergeht und abwartet, bis endlich die Engel singen und sagen, wofür all die Mühe gut war.

Neben der verdreht-überraschenden Sinnhaftigkeit der weihnachtlichen Familienszene fällt ihre Armut auf. Weihnachten erzählt eine Geschichte ohne Geld. Es zeigt ein von Börsenkursen befreites Leben, ein unschuldig-reines Empfangen.

Der Heiligen Familie fehlen alle modernen Wahlmöglichkeiten. Niemand mehr möchte so niederkommen. Aber der Blick in eine Welt ohne Absicherung zeigt etwas Kostbares: Unbedarftheit in ihrer heiligsten Form.

Und gerade das rührt so an, weil es wirkt wie "ganz früher": Wie sie es sich im Stall gemütlich machen, wie sie nichts brauchen als einander. Diese Familie ist einfach da. Sie ist zu Hause im Da-Sein, von Anfang an. Und das mitten an einem Ort und unter Menschen, die sie sich gar nicht gewählt hat. Nichts ist hier anmutig, und doch riecht es nach Heimat.

Und was ist an dem armen Dasein göttlich? Schlicht, dass es so menschlich ist. Man merkt doch: So rein steht im Leben nur, wer in Gott wohnt. Und das wird wahrgenommen. Menschen kommen und zeigen diesem Kind einfache Gesten und Handlungen, durch die heimlich der Himmel wirkt: Sie bringen Wolle, Schätze oder desinfizierende Gewürze. Vor allem aber: Sie kommen selbst.

Und wie diese Menschen damals treten auch in diesem Jahr viele Zeitgenossen zur Krippe. Zum Beispiel Familie F., deren vier Kinder in vier Jahren kamen, deren Vater schon zweimal weggelaufen ist und wiederkam, deren Mutter mit 29 aussieht wie andere mit 50 und die nachts mit dem Asthma des Jüngsten kämpft. Oder Herr K. mit seiner verwöhnten Enkelin, der er durch Fürsorge erstatten will, was er seiner Tochter schuldig blieb. Oder Frau A., die all ihre sechs Enkel vergrätzt hat - bis auf einen, der unverdrossen kommt und fragt, ob sie ihm vorliest, und sie tut es. Oder das Ehepaar G., das immer Kinder wollte und zusehen musste, wie andere welche kriegten, die keine wollten, sie aber nicht. Oder Ehepaar O., dessen Kinder groß sind, gesund, erfolgreich und weit weg. Oder Svenja, 7 Jahre alt, die immer allein in die Kirche kommt mit ihren großen Augen voll Wasser.

Schließen wir uns ihnen allen an, gehen wir hin und schauen, wie das wahre Leben seinen Anfang nimmt, singen und beten oder lassen singen und beten.