Warum sind eigentlich so viele Leser vom Bösen fasziniert? Eine kleiner Ausflug in die spannende Geschichte des Kriminalromans

Meist geht es in Kriminalromanen ja ums Morden. Fast immer um Gewaltverbrechen, vor denen Menschen sich eigentlich fürchten. Doch obwohl wir dank oder wegen der Medienpräsenz nahezu täglich mit Verbrechen konfrontiert werden, greifen wir in unserer Freizeit keineswegs nur zur Heile-Welt-Literatur. Noch in den 1970er-Jahren genoss der Kriminalroman in der Literaturwissenschaft einen schlechten Ruf. Hauptkritikpunkt war, dass der Krimi den Leser nicht durch die Sprache fesselt, sondern ihn in ein Rätsel einbindet. Der Leser soll permanent "logisch denken". Deshalb stellten einige Kritiker den Krimi auf eine Stufe mit Kreuzwort-Rätseln.

Seine Anfänge hat der Kriminalroman zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die ersten Polizeiapparate sich um die beweissichere Aufklärung von Verbrechen bemühten. In Frankreich wurde 1810 die erste Ermittlertruppe gegründet, von einem ehemaligen Berufsverbrecher übrigens, der eine gute Kenntnis der Szene hatte. "Scotland Yard" in England existiert seit dem Jahr 1829, in Deutschland verfügte man erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts über eine eigene Kriminalpolizei.

Es ist nicht eindeutig geklärt, welches Buch den Titel des ersten Krimis für sich beanspruchen kann. War es "Die Frau in Weiß" (1860) von Colin Wilkie? Ebenso ein Anwärter ist Edgar Allen Poes schaurige Kurzgeschichte "Der Doppelmord in der Rue Morgue" von 1841. Einige Literaturwissenschaftler bezeichnen sogar Friedrich Schillers "Verbrecher aus Infamie - eine wahre Geschichte" von 1786 als ersten Krimi.

Die Helden der frühen Krimijahre waren häufig Privatdetektive. Dieses Phänomen erklärt sich aus der Tatsache, dass die ersten Polizeikommissare als korrupt und schlecht ausgebildet galten. Darüber hinaus lässt die Figur eines Privatdetektivs mehr gestalterische Möglichkeiten zu. Eine der wohl bekanntesten Detektivfiguren des Kriminalromans ist der Ermittler Sherlock Holmes. Erfunden hat ihn der Londoner Arzt Arthur Conan Doyle (1859-1930). Der absolute Star unter allen Krimiautoren ist bis heute Agatha Christie (1890-1976). Von 1920 und 1973 schrieb sie 66 Romane und mehrere Sammlungen mit Kurzgeschichten. Vor allem zwei Figuren machten Agatha Christie berühmt: die schrullige Miss Marple und der belgische Detektiv Hercule Poirot. Die Krimis sind meist in "besseren Kreisen" angesiedelt: ähnlich wie die Storys des französischen Erfolgsautors Georges Simenon (1903-1989). Seine berühmteste Figur wurde der ständig Pfeife rauchende Kommissar Maigret, der im Unterschied zu vielen anderen Detektiven ein Polizeikommissar war - und der seine Fälle dennoch meist im Stil eines Privatdetektivs alleine löste.

Literarisch weniger anspruchsvoll aber trotzdem sehr erfolgreich waren die Krimis von Edgar Wallace (1875-1932). Er beherrschte die Kunst, den Leser schnell in seine Geschichte einzubinden und hielt auch den Kreis der beteiligten Personen überschaubar. Dennoch wirken seine "Fälle" aus heutiger Sicht unglaubwürdig. Wallace setzte darauf, den Leser möglichst zu überraschen, selbst wenn die Lösung geradezu absurd war. Er schrieb seine Krimis so schnell, dass er dabei sogar manchmal die Namen seiner Charaktere vergaß - was seine Sekretärin dann ausbügeln musste.

Inzwischen hat sich das Krimigenre deutlich weiterentwickelt. Längst regieren nicht mehr die schrulligen Privatdetektive, und Krimis spielen auch quer durch alle gesellschaftlichen Schichten - dazu trugen vor allem Autoren wie die Schweden Sjöwall/Wahlöö oder Henning Mankell bei. Neben dem klassischen Kommissar- und Detektivroman findet man heute auch diverse "Untergenres" wie "Medizin-Thriller" oder "Wirtschaftskrimis". Selbst im Tierreich werden Kriminalfälle angelegt und dann zum Beispiel von Katzen gelöst ("Felidae" von Akif Pirinçci). Auch die Motive kennen keine Grenzen mehr und gehen bis ins Dunkelste der menschlichen Seele.

Frühe Krimis waren meist in Großstädten angesiedelt. Das ergibt Sinn und ist daher so reizvoll, weil diese Orte einem großen Lesepublikum bekannt sind. Die 13 Abendblatt-Kriminalromane zeigen die Vielschichtigkeit des Genres: Den rechtsradikalen Politsumpf, Morde nach Märchen, Terrorangst und Terrorbekämpfung, menschliche Dramen auf dem Kiez oder geheimnisvolle Gelüste hinter teuren Villenfassaden - das thematische Spektrum der Krimibibliothek ist weit gespannt: von John le Carré mit seinem Politthriller "Marionetten" über Virginia Doyles historischen Krimi "Das Totenschiff von Altona", Regula Venskes Kriminalkomödie "Rent A Russian" und Doris Gerckes Missbrauchsgeschichte "Kinderkorn" bis hin zu Jan Guillous Hafenstraßen-Krimi "Der demokratische Terrorist". An langen Winterabenden sind doch gerade Mörder und andere Verbrecher, die sich zumeist hinter der Maske der Normalität verbergen, vom Wesen her viel schwieriger zu erfassen und deshalb so interessant. Spannung ist garantiert!

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