Die Cellisten des NDR stellen mit I tutti Celli die Bandbreite des Instruments vor

I tutti Celli - der Name des dritten Kammerkonzerts der Saison beim NDR Sinfonieorchester ist Programm. Denn die Cello-Gruppe des Orchesters widmet sich allem, was man auf ihrem Instrument spielen kann: Von der Kammermusik bis zum vielstimmigen Cello-Ensemble, von der Renaissance bis zur Moderne. Um eines aber gehe es nicht, sagt Fabian Diederichs, Cellist und Programmkoordinator: sich mit den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker anzulegen. "Die machen das auf ihre Art so gut, das macht man so nur einmal."

Die NDR-Cellisten gehen also andere Wege, es werden auch nicht zwölf, sondern zwischen drei und zehn Cellisten spielen, und das Programm ist betont bunt: So kombinieren sie etwa Werke der Renaissance mit einigen ausgewählten Sacher-Variationen. Die hatte die Creme der europäischen Gegenwartskomponisten dem Mäzen der Neuen Musik, Paul Sacher, 1976 zu seinem 70. Geburtstag gewidmet. Die ersten Anfänge des Cellospiels, stilecht auf Darmsaiten dargeboten, und neueste spieltechnische Entwicklungen in Werken von Lutoslawski, Ginastera, Dutilleux und Conrad Beck stehen sich dann im direkten Wechsel gegenüber.

Eigentlich ist das Cello ja das Instrument für schmachtende romantische Kantilenen. Dieser Aspekt wird vor allem durch einen Konzertwalzer von Wilhelm Fitzenhagen vertreten sein. Fitzenhagen war als Lehrer am Moskauer Konservatorium Mitbegründer der großen russischen Cellisten-Tradition. Sein Nachruhm beruht vor allem auf seiner Verbindung zu Tschaikowskys "Rokoko-Variationen". Bis heute wird das Werk in jener Version gespielt, die der Cello-Papst dem selbstzweiflerischen Komponisten einst in die Partitur korrigierte.

Einer der selbst gut genug Cello spielen konnte, um sich von niemandem hereinreden zu lassen, war der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos. Der hatte sich schon in jungen Jahren als Cello-Spieler in Caféhäusern sein Geld verdient. Später entdeckte er seine Liebe zu zwei scheinbar völlig unvereinbaren klanglichen Welten: Der Musik Johann Sebastian Bachs und der brasilianischen Folklore. Dass man diese beiden Welten vereinigen kann, ist das erstaunliche Ergebnis von Villa-Lobos' Zyklus Bachianas Brasileiras.

Die erste seiner Bachianas Brasileiras schrieb Villa-Lobos für ein Ensemble von acht Celli. Schon die Doppeltitel der Sätze deuten dabei an, wie der brasilianische Bach-Fan barocke Vorbilder und südamerikanisches Lokalkolorit miteinander verschränkt: So bezieht die Introdução/Embolada ihre Inspiration aus einem Volkslied. Und die Fuga/Conversa wurde von einem jener improvisierten Frage-und-Antwort-Spiele angeregt, die der junge Villa-Lobos in Rio von Straßenmusikern gehört hatte.

Zu den Besonderheiten des Cellos zählt sein außerordentlicher Tonumfang. Der ermöglicht es den Cellisten, sich von der Bassregion über die klangvolle mittlere Lage bis hinauf in die Höhe jederzeit gut durchzusetzen. Die kleineren Schwestern in der Violinfamilie, Geige und Bratsche, haben diese Vorzüge nicht. Und deshalb lässt sich eigentlich auch nur aus Celli ein instrumentenhomogenes Orchester bilden, das alle Register abdeckt.

Diese orchestralen Möglichkeiten einer Cello-Gruppe nutzen die NDR-Musiker nun, um sich ein paar Leckerbissen der großen Orchesterliteratur unter den Bogen zu reißen: So stehen etwa Bearbeitungen von Wagners "Tannhäuser"-Ouvertüre und des "Tristan"-Vorspiels auf dem Programm.

Doch selbst das ist noch lange nicht alles, was auf dem Cello möglich ist: Dass sie es an Fingerfertigkeit locker mit den Pianisten aufnehmen können, beweisen die Bass-Klein-Geiger mit einer gestrichenen Version von Chopins berühmter Revolutionsetüde. Und zu guter Letzt warten sie gar noch mit einer Bearbeitung von Jimi Hendrix' Gitarren-Klassiker "Purple Haze" auf.

I tutti Celli 18.1., 20 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio. Karten unter T. 0180/178 79 80