Die Hamburger Camerata bittet zum Weihnachtskonzert

Das Schaffen von Johann Sebastian Bach gilt als ein wichtiger Grundnährstoff der europäischen Kultur. Seine Noten sind die Muttermilch, aus der sich das klassische Musikleben speist - erst recht in der Bach-Stadt Leipzig, wo der Komponist von 1723 bis zu seinem Tod 1750 viele Jahre wirkte und einige seiner größten Meisterwerke schuf.

Jeder Musiker, der hier aufwächst, saugt automatisch den Bach-Geschmack in sich auf. Das war auch bei Max Pommer der Fall: Als Chorknabe der berühmten Leipziger Thomasschule sang er schon im Kindesalter Bachs Oratorien und Kantaten, später studierte er an der Universität und an der Hochschule seiner Heimatstadt, wo er dann - noch später - selber Professor werden sollte.

Dass Pommer mit Mitgliedern des Gewandhausorchesters anno 1979 das Neue Bachische Collegium gründete, um sich dem Schaffen des Thomaskantors zu widmen, war nur folgerichtig; das hohe Niveau der Interpretationen belegt etwa der deutsche Schallplattenpreis für die Aufnahme der Brandenburgischen Konzerte.

Auch nach dem Fall der Mauer und der damit verbundenen Ausweitung seiner internationalen Dirigier- und Forschungstätigkeit blieb Pommer seiner Lebensliebe treu. Und so ist es kein Wunder, wenn der scheidende Chefdirigent der Hamburger Camerata das 325. Geburtsjahr Bachs zum Anlass nimmt, ihm das Programm eines festlichen Weihnachtskonzerts zu widmen.

Anfang Dezember - rund zwei Monate vor seinem eigenen 75. Geburtstag - präsentiert sich Max Pommer von mehreren Seiten: Er wird die Hamburger Camerata leiten und außerdem in seiner Funktion als Forscher in Erscheinung treten. Denn er ist nicht nur ein international gefragter Orchesterchef und Pädagoge, sondern auch ein promovierter Musikwissenschaftler, der sich insbesondere - wie könnte es anders sein - mit Johann Sebastian Bach beschäftigt hat.

Das heißt, Pommer wählt nicht nur die Notenausgaben seiner Konzerte sorgfältig aus, nein, er erstellt auch selber das Aufführungsmaterial von Werken, deren ursprüngliche Fassung heute verschollen ist. Das gilt etwa für das berühmte d-Moll-Konzert BWV 1052 mit seinem fast jazzigen Groove: Wir kennen es zwar in der Version für Cembalo (oder Klavier) und Orchester - doch die Bach-Experten sind sich ziemlich einig, dass es zunächst als Violinkonzert konzipiert war. Also hat Pommer hier eine mögliche Originalfassung rekonstruiert - ebenso wie bei der weniger bekannten Sinfonia in D-Dur BWV 1045. Den Solopart der beiden Stücke übernimmt der Geiger Gustav Frielinghaus, seit dieser Saison einer der Konzertmeister der Camerata.

Als Rahmen des Programms fungieren zwei der Orchestersuiten von Bach: Die zweite, in h-Moll, steht am Anfang, und hat einen sehr dankbaren Flötenpart - zum Beispiel im abschließenden Satz, der virtuos dahinhüpfenden und hitparadenbewährten "Badinerie". Mit ihrer feierlichen Atmosphäre ist die vierte Suite in D-Dur am Ende eine festliche Einstimmung in die Vorweihnachtszeit und eine passende Ergänzung zur sanft schwingenden Pastorale aus dem Weihnachtsoratorium, die in der Mitte des Konzerts ein friedliches Bild der Hirten auf der Weide evoziert.

Der große Johann Sebastian Bach prägt also fast das komplette Programm - bis auf eine Aufnahme: Fast unmerklich hat Max Pommer ein kurzes Werk des estnischen Komponisten Arvo Pärt eingeschmuggelt. Doch auch das ist kein Fremdkörper, sondern eine stimmige Ergänzung. Denn das zarte Streicherstück "Festina lente" schichtet ein und dieselbe Melodie auf drei verschiedenen Zeitebenen übereinander - und transferiert damit die Kunst des bachschen Kontrapunkts in die Musik der Gegenwart. Auch für Pärt war Bachs Musik ein wichtiger Grundnährstoff.

Weihnachtskonzert 4.12., 15 Uhr, Laeiszhalle. Karten unter T. 420 64 64