Künstler entdecken den Scherenschnitt neu

Künstler entdecken ein altes Medium wieder, den Scherenschnitt. Mit Matisse fing es an. Spätestens seit den 90er-Jahren folgte eine weitere Hinwendung zu Motiven aus geschnittenem Papier und Karton. Die Galerie der Gegenwart thematisiert mit der Ausstellung "Cuts - Scherenschnitte 1970-2010" dieses Phänomen breit. Die Schau sieht sich ausschließlich in der Gegenwart um, mit 50 Werken aus den vergangenen vier Jahrzehnten, angefangen von Felix Droese über Annette Schröter, Michael Bauch, Stefan Thiel bis hin zu Jüngeren wie Philip Loersch.

Romantisch, ein wenig kleinbürgerlich und heile Welt - dem Scherenschnitt hängen diese Attribute wie Blei an seinen ausgeschnittenen Konturen. Vielleicht ist diese historische Unbekümmertheit mit ein Grund für den plötzlichen Einfall gewichtiger Themen in das Schattenreich der Künste. Bekanntes Beispiel hierfür ist die US-Künstlerin Kara Walker, die passend zum Schwarz-Weiß ihres Materials mit ihren Scherenschnitten den amerikanischen Rassismus thematisiert.

Scherschnitt bedeutet für sie die ideale Ausdrucksform, um "komplizierte Sachverhalte einfach auszudrücken." Was Schatten, was Schnitt, was Kontur ist, wird immer wieder neu, verstärkt in der Jetztzeit definiert. Mit William Kentridges Film "Shadow Procession" kommt das Schattentheater, mit Arbeiten von Ulla von Brandenburg Bühnenprospekte zum Vorschein.

Der Scherenschnitt erhebt sich in raumfüllende und installative Dimensionen wie etwa bei Katharina Hinsberg. Orangefarbene Linien hat sie zu langen Streifen geschnitten. Jetzt hängen sie wie Fäden von der Decke bis zum Boden, labyrinthisch wie ein Wald, aber ebenso transparent und scheinbar schwerlos.

Philip Loerschs ausgeschnittene Zeichnungen, die innerhalb eines Fadenspiels eingespannt sind, haben Höchstleistungen abstrahierenden Denkens in Form der euklidischen Geometrie zum Gegenstand. Architektur und Scherenschnitt bilden einen weiteren Themenbereich. Mc Gowan-Griffin schafft eine begehbare Rauminstallation, die sich an dem weißen Wal Moby Dick orientiert. Julia Horstmann genügen wenige Schnitte in den schwarzen Karton, um Le Corbusiers Kirche in Ronchamp anzudeuten. Die Ausstellung wird unterstützt von der Hamburgischen Kulturstiftung und der Philipp Otto Runge-Stiftung.

Cuts - Scherenschnitte 1970-2010 12.11.2010 bis 6.2.2011, Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00