Eine große Schau ehrt Philipp Otto Runge, den Mitbegründer der Romantik

Ein Leben, ein Zyklus, zwei Ausstellungen: Als sich vor 33 Jahren der 200. Geburtstag von Philipp Otto Runge jährte, ehrte ihn die Kunsthalle mit einer umfangreichen Ausstellung. Seitdem ist ein Runge-Lebenszeit-Zyklus verstrichen. Zeit also für eine neue Ausstellung, diesmal anlässlich seines 200. Todestages. Mit "Kosmos Runge.

Der Morgen der Romantik" würdigt die Kunsthalle den neben Caspar David Friedrich als Mitbegründer der Romantik geltenden Künstler mit einer großen Retrospektive. 35 Gemälde, über 200 Zeichnungen sowie 50 Scherenschnitte und Schattenrisse sind zu sehen. Unter ihnen auch bislang als verschollen gegoltene oder unbekannte Werke, darunter zwei frühe Kreidezeichnungen seiner Eltern oder eine im Kontext der sogenannten "Tieck-Vignetten" entstandene Federzeichnung.

Runges Werk hatte schon immer wegweisende Impulse für die Kunst gesetzt. Impulse, die über sein Neuverständnis des Ornaments oder seine Sicht auf die Kindheit bis in die Gegenwart reichen. Gerade auch die Scherenschnitte zeigen Runges Meisterschaft in einer Gattung, die heute wieder große Aktualität besitzt. Schon zu Lebzeiten betrachtete sich der in Wolgast geborene, über Kopenhagen und Dresden nach Hamburg gelangte Runge als Reformator der Kunst. Mit seiner Vorstellung einer neuen, kosmisch und mystisch aufgeladenen "Landschafterey" oder der ersten 3-D-Farblehre in Kugelform, über die er mit Goethe korrespondierte.

Der Suche Runges nach einem neuen Terrain der Kunst gehen elf Kapitel nach. Das Publikum erwartet Runges Selbstbildnisse als Zeugnisse seiner Selbstbefragung. Es folgen "Runges Bruch mit der Tradition", seine "religiöse Malerei", um schließlich mit "Scherenschnitten und Schattenrissen" einen zarten Schlussakkord zu setzen. Eine Mischung aus chronologischer Abfolge und thematischen Blöcken lädt ein, Runge von der Skizze bis zum fertigen Gemälde "bei der Arbeit über die Schulter zu blicken".

Hilfreich ist auch ein Kabinett, das den maltechnischen Untersuchungen gewidmet ist und neue Erkenntnisse über Runges Arbeitsweise verspricht. Eines der prominentesten Ausstellungskapitel und Kern der Schau ist Runges "Kosmischen Dimensionen" oder seinem "Zeiten-Zyklus" gewidmet, mit Vorarbeiten, Konstruktionszeichnungen, Radierungen und den beiden Gemälden "Der Kleine Morgen" und "Der Große Morgen". Runge hatte "ganz Großes" mit eigener Architektur geplant, aber aufgrund seines frühen Todes nicht vollenden können. Nicht nur Tageszeiten, auch Lebenszeiten und Jahreszeiten bis zu Weltzeiten sollten in dem Zyklus dargestellt werden.

1803 schrieb er an den Bruder Daniel, "es wird eine abstracte mahlerische phantastisch-musikalische Dichtung mit Chören, eine Composition für alle drey Künste zusammen, wofür die Baukunst ein ganz eignes Gebäude aufführen" sollte. In der Zusammenfassung mehrerer Künste erweist sich Runge als Pionier des Gesamtkunstwerks. Weitere Kapitel widmen sich deshalb seiner angewandten Kunst, unter anderem mit dem stimmungsvollen, vermutlich als Opernvorhang geplanten Aquarell "Arions Meerfahrt", seinen Buchillustrationen für Ludwig Tiecks "Minnelieder aus dem schwäbischen Zeitalter" und den großformatigen Illustrationen für eine Ossian-Ausgabe. Anders als bis dato üblich gestand Runge dem Betrachter ungewohnte Freiheiten bei der Bildauslegung zu. Ob er das bloße Ereignis der Darstellung rezipierte oder tiefer in das Bild und sein Programm einstieg - beide Positionen sah Runge als gültig an. Allerdings ist der Künstler weit davon entfernt, Offenheit mit Beliebigkeit zu verwechseln.

Vor allem das Kapitel "Bild und Rahmen" verdeutlicht Runges Interesse, Ornamente als dezidiert sinnstiftende Rahmenhandlungen in das Bild einzugliedern. Beispiel hierfür ist unter anderem seine "Lehrstunde der Nachtigall", in der verschiedene Formen der Liebe zum Ausdruck kommen.

Das umfangreichste Kapitel gilt dem Porträtmaler Runge. Zu sehen sind nicht nur seine für das 19. Jahrhundert wegweisenden Kinderporträts wie "Die Hülsenbeckschen Kinder", Porträts von Eltern und Freunden, sondern auch die berührende, ungewöhnlich modern wirkende und dezent an Egon Schiele erinnernde Zeichnung "Sophia Sievking auf dem Sterbelager". Zu "Kosmos Runge" erscheint ein umfangreicher Katalog. Die Ausstellung wird ermöglicht durch die Philipp-Otto-Runge-Stiftung, die Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, die Freunde der Kunsthalle, die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, die Commerzbank-Stiftung und die Kulturstiftung der Länder.

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik 3.12.2010 bis 13.3. 2011, Hamburger Kunsthalle, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00