Herz der Maya und Himmel aus Gold: Mit zwei großen Ausstellungen präsentiert das Museum für Völkerkunde kulturelle Schätze aus Südamerika

So viel Südamerika hatte Hamburg noch nie zu bieten: Gleich zwei große Ausstellungen, die beide Anfang November eröffnet wurden, beschäftigen sich mit herausragenden kulturellen Leistungen des südamerikanischen Kontinents: "Herz der Maya" heißt ein seit Jahren vorbereitetes Großprojekt des Museums, das sich vor allem auf die Traditionen und Stärken der eigenen Sammlung gründet. Hinzu kommt "Himmel aus Gold", eine spektakuläre Ausstellung zum indianischen Barock aus Ecuador.

Schon in der Frühzeit des 1912 an der Rothenbaumchaussee eröffneten Museums bildete Südamerika einen wichtigen Sammlungsschwerpunkt. Franz Termer, der dem Gründungsdirektor Georg Thilenius 1935 im Amt folgte, interessierte sich ganz besonders für südamerikanische Themen. Der renommierte Ethnologe und Amerikanist, der das Museum für Völkerkunde bis 1962 leitete und zugleich an der Hamburger Universität lehrte, war ein hoch geschätzter Guatemala-Spezialist. Kein Wunder also, dass er sich besonders darum bemühte, die Maya-Sammlung seines Hauses zu entwickeln und auszubauen.

Regelmäßig hielt er sich in Guatemala auf, forschte zur Maya-Kultur, publizierte und brachte auch zahlreiche Objekte mit nach Hamburg. Und er hatte hervorragende Kontakte: Ein enger Vertrauter von Termer war der deutschstämmige Sammler Carlos Elmenhorst. Mit großer Sachkenntnis und leidenschaftlichem Engagement erwarb auch Elmenhorst Textilien und Alltagsgegenstände vor allem der guatemaltekischen Maya, aber auch aus angrenzenden Ländern, und baute im Lauf von mehreren Jahrzehnten eine vorzügliche Sammlung auf. Dass er diese Kollektion 1989 in einer generösen Geste dem Museum zum Geschenk machte, war ein großer Glücksfall, der den Hamburger Südamerika-Bestand noch einmal deutlich aufwertete.

"Es gibt Geschenke, die verpflichten", sagt Prof. Dr. Bernd Schmelz, wissenschaftlicher Leiter des Völkerkundemuseums und Projektleiter des Ausstellungsteams: "Daher war klar, dass wir eine große Maya-Ausstellung machen müssen. Dass es so lange dauern würde, hätte man 1989 zwar nicht vermutet, aber die lange Vorlaufzeit gab uns andererseits die Chance, besonders gründlich zu forschen."

Schmelz beschäftigt sich seit Langem mit der Kultur der Maya, einer Ethnie, die im Gegensatz zu den Inka und Azteken nicht von den europäischen Eroberern ausgerottet worden ist. "Die Sprache und auch die besondere Webtradition haben sich erhalten. Interessant ist, dass auf den Textilien noch immer Symbole und Muster aus voreuropäischer Zeit verwendet werden", sagt Professor Schmelz. Manche dieser Zeichen, die man zum Beispiel auf Maya-Blusen findet, lassen sich entschlüsseln, aber diese Kleidung verrät noch sehr viel mehr: An den Mustern und Farben ist zum Beispiel nicht nur die Region, sondern sogar der jeweilige Herkunftsort erkennen.

Zu den Stärken der Elmenhorst-Sammlung gehört die gute Dokumentation der Objekte. Franz Termer hatte den Sammler dazu angehalten, nicht nur Textilien zu erwerben, sondern diese auch vor Ort zu erforschen. Im Jahr 2003 begann Prof. Schmelz mit eigenen Forschungen in Guatemala, schon damals auch in Vorbereitung der jetzigen Ausstellung. Während Termer und Elmenhorst vor allem Frauentrachten gesammelt hatten, spezialisierte sich Schmelz auf Kindertrachten.

Inzwischen verfügt das Museum über Objekte aus 24 verschiedenen Orten. Prof. Schmelz besuchte die Weberinnen, zeigte ihnen Fotos von Trachten aus dem Museum und befragte sie nach Mustern und deren Bedeutung. Um sie für ihre Auskünfte zu entlohnen, erwarb er von ihnen zahlreiche Textilien - ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.

Obwohl Trachten für die Kultur der Maya sehr wichtig sind, beschränkt sich die Ausstellung nicht auf Textilien, sondern zeigt auch zahlreiche andere Artefakte der alten Maya und ihrer zeitgenössischen Nachfahren. Die Verbindung von Archäologie und Ethnologie ist nicht außergewöhnlich, denn bereits im frühen 20. Jahrhundert interessierten sich europäische Ethnologen auch für Altamerika. Ein besonders wichtiges Thema sind religiöse Vorstellungen und Alltagsfrömmigkeit, weil es hier ein interessantes Zusammenspiel zwischen Maya-Tradition und christlicher Religion gibt.

Das zeigt sich u. a. in einem Synkretismus, der auch in anderen lateinamerikanischen Kulturen üblich ist. Das Motto könnte heißen: Neues anzunehmen, ohne Altes preiszugeben. Offiziell hatten sich die Maya zwar von den spanischen Eroberern christianisieren lassen, waren andererseits aber keineswegs bereit, ihre alten Götter völlig aufzugeben. Also verehrte man zwar die Apostel und die christlichen Heiligen, identifizierte sie aber zugleich mit den alten Göttern. Ein Beispiel dafür ist der besonders populäre Simon, der zugleich als der Maya-Gott Maximon verehrt wird. Um diese Zusammenhänge zu veranschaulichen, haben die Ausstellungsmacher Simon und Maximon sogar eine eigene Kapelle gebaut mit einer Heiligenfigur in Menschengröße.

Um christlichen Glauben und indianische Tradition geht es auch in der zweiten Ausstellung, die die ecuadorianische Kunsthistorikerin Ximena Carcelén konzipiert und gestaltet hat. Carcelén erforscht die barocken Schätze in den Kirchen und Klöstern, die im 17. und 18. Jahrhundert in Ecuador erbaut wurden. Indianische Künstler schufen dafür christliche Kunstwerke im Stil des Barock, der Kunst der europäischen Gegenreformation. "Himmel aus Gold - Indianischer Barock aus Ecuador", heißt der Titel dieser wirklich spektakulären Ausstellung, in der keine Museumsstücke zu sehen sind, sondern 70 Meisterwerke, die aus Kirchen und Klöstern stammen und nie zuvor ihr Heimatland verlassen haben.

"Die Ausstellung bietet überhaupt erstmals in Europa einen Einblick in die Kunst des ecuadorianischen Barocks. So christlich und europäisch uns diese Werke auch erscheinen, sind sie doch Werke von indianischen Künstlern, die ihre ganz eigenen Ausdrucksformen gefunden haben", meint Prof. Schmelz.

Der Ausstellungsmacher lobt das enorme Entgegenkommen der ecuadorianischen Partner. Es hätte diese Schau erst ermöglicht. Für Hamburg ist sie auch in anderer Hinsicht bemerkenswert und reizvoll: Wahrscheinlich hat man in der protestantisch-nüchternen Hansestadt seit der Reform nie mehr so viele prächtige Heiligen- und Engelsfiguren gesehen, wie jetzt im Haus an der Rothenbaumchaussee. Und auch in Ecuador wird die Ausstellung mit großer Anteilnahme verfolgt. Bisher ist es ein einmaliger Vorgang, dass sich das südamerikanische Land für einige Zeit von einer so großen Zahl herausragender Kunstschätze von nationaler Bedeutung trennt.

Noch vor Kurzem hätte sicher niemand für möglich gehalten, dass die berühmte und ungemein populäre Jungfrau Maria von Quito jemals auf Reisen gehen würde. Jetzt ist die geflügelte Holzstatue als Spitzenstück der Ausstellung fast vier Monate lang zu Gast in Hamburg. Man sollte sie sich nicht entgehen lassen.

Herz der Maya bis 21.12.2012, Himmel aus Gold - Indianischer Barock aus Ecuador bis 27.2.2011. Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00