Ein Gespräch mit Klaus Weschenfelder, dem Präsidenten des ICOM

Der Internationale Museumsrat ICOM (International Council of Museums) ist die internationale Organisation für Museen und Museumsfachleute. Er hat 28 000 Mitglieder in 137 Ländern und ist das wichtigste Netzwerk der Museumsszene. 2009 wurde Klaus Weschenfelder zum Präsidenten des Deutschen ICOM-Nationalkomitees gewählt. Wir fragten den 58-Jährigen, der zugleich Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg ist:

Abendblatt:

Wie hat die Museumsszene den - inzwischen glücklicherweise revidierten - Senatsbeschluss, das Altonaer Museum zu schließen, aufgenommen?

Dr. Klaus Weschenfelder:

Mit blankem Entsetzen. Man konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein Haus von dem Ruf und der Bedeutung des Altonaer Museums geschlossen wird.

Gibt es vergleichbare Fälle?

Weschenfelder:

Nicht in dieser Größenordnung. Es gibt zwar immer wieder Museen, die von ihren Trägern aufgegeben werden, aber das sind in der Regel kleinere Häuser.

Sind Sie grundsätzlich gegen Schließungen, oder kann es auch sein, dass sich eine Institution überlebt hat?

Weschenfelder:

Das kann schon mal sein. Wir haben in Deutschland etwa 6000 Museen, von denen die Hälfte ehrenamtlich geführt wird. Und nicht jede Einrichtung muss tatsächlich auf Dauer angelegt sein. Das betrifft meistens keine sehr alten Häuser, die auch über keine großen Sammlungen verfügen. Aber in diese Kategorie fällt das Altonaer Museum natürlich nicht.

Wäre eine Schließung des Altonaer Museums ein Präzedenzfall, der große Auswirkungen auf die gesamte deutsche Museumslandschaft hätte?

Weschenfelder:

Das wäre in der Tat zu befürchten. Das ist ähnlich gelagert wie mit den Verkäufen aus Museumsbesitz zur Deckung von Haushaltslücken. Wenn so etwas erst einmal geschieht, kann es Schule machen, was fatal wäre.

Was halten Sie von Zusammenlegungen von Museen?

Weschenfelder:

Das kommt auf den Einzelfall an. Manchmal hat das durchaus positive Effekte: In München hat man mit der Pinakothek der Moderne vier Museen in einem Gebäude untergebracht. Die Sammlungen sind in ihrem Profil eigenständig geblieben, nutzen aber die Synergieeffekte eines gemeinsamen Hauses. Das funktioniert glänzend, dort steht aber ein vorzüglicher Neubau zur Verfügung.

Welche Bedeutung haben die Besucherzahlen?

Weschenfelder:

Irgendwann haben die Museen angefangen, ihre Besucherzahlen mit denen von Fußballstadien zu vergleichen. Obwohl die Museen da ganz gut abschneiden, halte ich diesen Vergleich für unglücklich, weil hier Dinge aus ganz unterschiedlichen Bereichen verglichen werden. Trotzdem sind die Besucherzahlen vor allem für Politiker bei der Beurteilung von Museen das wichtigste Kriterium.

Aber sie sind doch ein wichtiger Indikator für die gesellschaftliche Wertschätzung der Museen.

Weschenfelder:

Das ist richtig, darf aber allein nicht ausschlaggebend dafür sein, wie ein Museumsträger mit dem Haus und insbesondere mit den Sammlungen umgeht. Der Protest gegen die Schließung des Altonaer Museums richtet sich ja auch gegen einen fahrlässigen Umgang mit 640 000 Sammlungsobjekten. Besucherzahlen schwanken, manchmal hat ein Museum auch ein Formtief, das unter Umständen auch selbst verschuldet ist. Aber Museen denken nicht in Monaten und Jahren, sondern in Jahrhunderten. Es gibt durchaus Häuser, die lange vor sich hin schlummerten, um dann wie Phoenix aus der Asche aufzusteigen. Ein Beispiel ist die lange Jahre vernachlässigte "Neue Sammlung" in München, die jetzt in einem Neubau untergebracht worden ist und zu den Zugpferden der Münchner Museumsszene gehört.

Museen werden gelegentlich noch immer als verstaubt bezeichnet - ein ungerechter Vorwurf?

Weschenfelder:

Absolut, ich kann das gar nicht verstehen. Auf der einen Seite gilt museal als Synonym für alt und verstaubt, andererseits gibt es einen unübersehbaren Museums-Hype. Der Begriff Museum ist ja nicht geschützt und wird inflationär benutzt, auch von Häusern, die gar keine eigene Sammlung haben und daher nicht die Museumskriterien erfüllen. Der Begriff wird gern verwendet, weil damit eine Aufwertung verbunden ist.

Müssen Museen ihre Präsentation stärker auf elektronische Medien ausrichten?

Weschenfelder:

Wer sich mit der Medienindustrie messen möchte, wird mit dem Museum nicht auf dem richtigen Weg sein. Museen können viel mehr als moderne Medien, sie sind Institutionen, die in der Öffentlichkeit Vertrauen genießen. Sie verfügen über Authentizität, über Originale, verkörpern Geschichte. Diese Reputation ist etwas, was Museen viel stärker ins Spiel bringen müssen. Hier geht es um das Echte und Unverfälschte, und nicht so sehr um die Unterhaltung. Party darf auch mal sein, ist aber nicht das Kerngeschäft.