Hamburgs Riesenmasken geben noch immer Rätsel auf

Die beiden Hareicha-Masken gehören zu den eindrucksvollsten Artefakten, die im Museum für Völkerkunde zu finden sind. Für die Besucher, die die mehr als sieben Meter hohen Werke im Gewölbesaal im ersten Stockwerk des Museumsgebäudes an der Rothenbaumchaussee betrachten, wirken sie mysteriös. Aber sie geben auch der Wissenschaft noch eine Menge Rätsel auf. Ursprünglich besaß das Museum sogar vier dieser Kunstwerke. Mitglieder der Hamburger Südsee-Expedition hatten sie 1909 bei der Ethnie der Baining an der Nordküste von Neubritannien erworben. Die Insel gehörte zur damaligen Kolonie Deutsch-Neuguinea.

Eine dieser Masken wurde später dem Nationalmuseum Kopenhagen übergeben, im Tausch gegen Alltagsgegenstände der Inuit - aus heutiger Sicht kein gutes Geschäft. Eine zweite ursprünglich Hamburger Maske befindet sich heute im New Yorker Metropolitan Museum of Art. "Wie sie dorthin gelangt ist, lässt sich bis heute nicht klären", sagt die Ethnologin Dr. Antje Kelm, die sich seit Langem intensiv mit der Geschichte dieser Masken beschäftigt hat. Sie sind so schwer, dass sie bei rituellen Anlässen zwar von einem Tänzer getragen werden konnten, allerdings mussten sie von Assistenten mit langen Stangen gestützt werden. Museen in Berlin, Dresden und Bremen besitzen weitere Exemplare.

Seit Ende der Kolonialzeit werden derartige Artefakte nicht mehr hergestellt. Weltweit gibt es nur noch etwa ein Dutzend Hareicha-Masken, die aufgrund ihrer Ausdruckskraft zu den Spitzenleistungen der Südseekunst gerechnet werden.

Daher ist es eigentlich verwunderlich, dass sie noch so viele Rätsel aufgeben. Nach bisheriger Auffassung verkörpern die beiden Hamburger Exemplare das Urelternpaar der Menschheit. Dr. Kelm hatte Zweifel an dieser eigentlich durch nichts belegten These.

Bei ihren Forschungen in Papua-Neuguinea ließ sie sich von Angehörigen der Baining die Mythen dieses Volkes erzählen. Und stieß dabei immer wieder auf die furchterregenden Gestalten der menschenfressenden Riesen. "Das sind Geister, die große Mäuler haben. Und auch die Mäuler unserer Hareicha-Masken sind so groß, dass sie einen Menschen verschlingen könnten", meint die Ethnologin.

Als Antje Kelm erst in diesem Jahr wieder einigen Baining Fotos der Hamburger Masken zeigte, waren diese zwar fasziniert, aber ratlos. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Nur ein katholischer Priester erinnert sich. Er behauptet, dass bei einem Zeremoniell anlässlich seiner Priesterweihe im Jahr 1982 Masken dieser Art getanzt hätten. Das wäre eine Sensation, nur belegen lässt es sich nicht. Der Priester gab Dr. Kelm zwar eine VHS-Videoaufzeichnung dieses Tanzes mit, doch durch das tropische Klima war die Kassette unbrauchbar geworden. Jetzt befindet sie sich im Hamburger Museum für Völkerkunde, wo man nach einer Möglichkeit sucht, sie zu restaurieren. Ob das gelingt, ist fraglich, und so könnte es sein, dass das Geheimnis der Hareicha auch künftig ungelüftet bleibt.