Winzerfamilie Colucci im Itria-Tal in Apulien vermarktet die Weine ihres Gutes selbst. Beim Anbau achten sie besonders auf Tradition

Wir leben im Itria-Tal und sind alle Tage in Berührung mit seiner Schönheit", schwärmen Piercesare Colucci und seine Frau Adele. "Unsere Familie besitzt hier viele Weinberge mit roten oder weißen Rebsorten in Martina Franca, Massafra und Crispiano." Die Weinberge werden mit der Hand bearbeitet, denn oft handelt es sich nur um kleine Flecken, die sich über die flachen Hügel verteilen. "Im Valle d'Itria werden die Reben nach dem traditionellen System des albarello (wörtlich: Bäumchen) erzogen und erreichen maximale Höhen von 100 Zentimeter", erzählt das Paar, "und alle Weingärten sind mit niedrigen, aus Kalksteinen aufgeschichteten Mauern umgeben." Sie überziehen die fruchtbare Senke, die am Südrand des apulischen Karstlandes der Murge liegt, mit ihrem urigen Muster, umgürten Oliven- und Mandelhaine, Obst- und Gemüsegärten. Denn das Valle d'Itria ist nicht nur eine Augenweide, sondern auch ein Schlaraffenland.

Schon Piercesares Urgroßvater gehörten im Tal viele Rebparzellen. Aber ihm genügte es nicht, seine Trauben zu Spottpreisen abzugeben. Deshalb beschloss er 1938 gemeinsam mit seinem Sohn Cesare, im nahen Martina Franca eine eigene Kellerei zu gründen und seine Weine selbst zu vermarkten.

Ein Primitivo für den Fürsten

Martina Franca (knapp 50 000 Einwohner) liegt auf dem höchsten Hügel des Itria-Tals, auf 430 Metern und in gleicher Entfernung zur Adria und dem Ionischen Meer. Die Stadt wurde Anfang des 14. Jahrhunderts von Philipp I. von Anjou, Fürst von Tarent, gegründet, den ihre Einwohner - und nicht zuletzt die Coluccis - unter dem Namen Duca Petraccone weiterhin verehren. "Er wollte auf den Hügeln des Hinterlandes von Tarent ein Zentrum schaffen, von wo aus er Apuliens Mitte zwischen den beiden Meeren kontrollieren konnte", erzählen sie. "So entschied er sich, das Dorf San Martino durch Befestigungen zu erweitern und ließ vier beeindruckende Stadttore und 24 große, quadratische Türme errichten. Den Einwohnern des neuen Martina Franca schenkte er zahlreiche Privilegien, vor allem Steuerfreiheit. Als Austausch erwartete er, dass alle Einwohner die fruchtbare rote Erde, die den Hügel umgibt, bearbeiteten. Folglich wurde Landwirtschaft und insbesondere der Weinbau dank Duca Petraccone zur hauptsächlichen Aktivität unseres blühenden Landstrichs." Der prunkvolle Palazzo Ducale im alten Zentrum der Stadt zeugt von der Bedeutung und Kunstliebe Philipps I.. Die Coluccis haben dem Fürsten ihren Duca Petraccone Primitivo gewidmet, einen wunderbar vollen Roten mit würziger Brombeerfrucht, der in 8000 Liter großen Eichenfässern seine Samtigkeit entwickelte.

Am Liebsten servieren Adele und Piercesare ihren Duca zum Leib- und Magen-Gericht des Valle d'Itria, den Orecchiette al sugo con polpette. Keine Pastaform ist dessen Einwohnern lieber als die "Öhrchen" und keine Soße als die Fleischbällchen (mit Parmesan und Majoran) im Tomatensugo. Im Laufe des Jahres gibt es viele Veranstaltungen im Tal, auf denen die Spezialitäten der Region angeboten werden, darunter die hervorragende, dicke, capocollo genannte, geräucherte Salami, reifer, entsprechend kräftiger Ricotta, erstklassiges Olivenöl aus den Sorten Leccine und Coratine und natürlich der fruchtigfrische Weiße der lokalen DOC Locorotondo. Diese Leckereien gehören zum Verwöhnprogramm der Höfe mit Agroturismo, von denen die beeindruckendsten aus Trulli bestehen.

Mit den Ahnen flirten

Im Valle d'Itria stoßen die drei apulischen Provinzen Bari, Brindisi und Taranto zusammen. Nicht nur wegen seiner sanft geschwungenen, wunderschönen Landschaft ist es berühmt und beliebt, sondern insbesondere wegen der Trulli. "Die ältesten Trulli, die es noch heute gibt, wurden im 16. Jahrhundert erbaut", erzählt Adele. "Es sind Gebäude aus Trockensteinen ohne Mörtel, konisch in der Form und typisch für das mittlere und südliche Apulien. Bei uns nennt man sie gern casedde , was aus dem Lateinischen kommt und "kleine Hütte" bedeutet. Ursprünglich war der Trullo eine typisch ländliche Bauweise und wurde nur von Bauern benutzt. Heute gilt es als schick, einen restaurierten Trullo im Valle d'Itria zu besitzen, in den letzten Jahren haben viele Prominente sich Trulli zugelegt. Für uns, die wir hier geboren sind und immer hier gelebt haben, ist es ein großartiges Gefühl, in einem Trullo zu leben. Es bringt uns mit der lebendigen Geschichte unserer Vorfahren in Kontakt." An die 5000 der meist blitzend weißen, aus Kalksteinen aufgeschichteten Trulli mit ihren zipfelförmigen Dächern geben dem Tal einen ganz besonderen - seit 1996 zum Weltkulturerbe erklärten - Reiz. Die meisten drängen sich im Städtchen Albarello, wo es sogar eine Trulli-Kirche gibt. Mal stehen sie allein und bescheiden, mal drängen sie sich aneinander und bilden größere Gebäude mit zusätzlichen lamie , wie die angebauten Räume heißen. Diese haben besonders viel Atmosphäre. Da hat man tatsächlich das Gefühl, als würde man mit früheren Generationen flirten. Wenn dann deftige Braten, Wildpilze aus der Pfanne, geröstete Kastanien und reifer Käse serviert werden, holen die Coluccis den Castello Montedoro hervor, benannt nach einer längst zerfallenen Burg. Es ist ein Castel del Monte aus der berühmtesten DOC Apuliens vom anderen Ende der Hochebene der Murge, je zur Hälfte aus dem charaktervollen Nero di Troia und dem vollmundigen Aglianico, ein komplexer, würzig-kräutiger Roter mit verführerischer Kirschfrucht. Er führt vor, wie ausgezeichnet die Familie ihr Handwerk versteht.

Die Coluccis haben immer Schritt mit der Entwicklung der Kellertechnik gehalten, vor allem seit Dottore Francesco Colucci 1965 nach dem Studium der Agrarwissenschaft, Önologie und Soziologie in die Firma eintrat. Noch heute zeichnet der Senior mit seinen 68 Jahren für die Weinbereitung verantwortlich. Inzwischen weiht er Sohn Piercesare, der ColucciVini im Ausland bekannt machte, in die Kunst des Weinmachens ein.

Neben den eigenen Weinbergen hat die Familie seit Jahren Absprachen mit immer denselben Weinbauern, darunter solchen in der DOC Copertino im südlichen Salento. Auch hier werden die kleinen Parzellen mit uralten Rebstöcken des Negroamaro mit großer Sorgfalt gepflegt und erst dann gelesen, wenn Dottore Francesco grünes Licht gibt. Nach der Maischegärung kommt der Wein für acht Monate in Barriques und reift dann im Tank weiter, bis er zur Riserva avancierte, die unweigerlich nach einem guten Stück Fleisch oder Wild verlangt. "Der Sitz der Firma in Martina Franca ist seit 1960 derselbe", bemerkt Adele, "aber in einigen Monaten ziehen wir in einen fantastischen neuen Keller um, der mitten in den Weinbergen steht, die der Familie gehören." Und in ihrer Stimme klingt die Freude, dass sie ihrem geliebten Valle d'Itria dann noch näher sein wird.