Beim Abendmahl können Menschen Gott in Gemeinschaft erleben

"Lügen macht erfinderisch" war im Sommer im Kino und ist eine Komödie über eine fiktive Welt, in der es keine Lüge gibt und alle einander erbarmungslos immer nur die Wahrheit sagen, bis eines Tages ein Mann auf die Idee kommt zu lügen. Erst behauptet er mehr Geld zu haben. Später verspricht er seiner qualvoll sterbenden Mutter ein Leben nach dem Tod.

Und alle glauben ihm, auch als er erklärt, das habe ihm "der Mann im Himmel", den man nicht sehen könne, ins Ohr geflüstert. Und jetzt verkündet er die Wahrheit - und die Leute feiern ihn als Heilsbringer in einer sonst so erbarmungslosen Welt.

Das ist nicht nur eine gelungen bissige Religionskritik. Das dürfte vielmehr all jene auf dem kalten Fuß erwischen, die sich ihren Glauben so aussuchen: Tröstlich soll er sein und wenn es jemanden gibt, dem Gott das ins Ohr geflüstert hat, dann will man es gerne glauben. Zu Gottesdiensten kann man dann mit Gleichgesinnten zusammenkommen, Musik und Predigten hören und mit etwas Brot und Wein ein zusätzliches Gemeinschaftserlebnis haben. Ich gebe zu, ich habe eine Karikatur gemalt; aber vielleicht trifft sie ja bei manch einem zu.

Das Abendmahl ist von seinem Ursprung her das Gegenteil. Da ist niemandem aus dem Jenseits ein Text ins Ohr geflüstert worden. Am Anfang steht vielmehr ein lebendiger Mensch: Jesus von Nazareth. Er weiß um seinen baldigen Tod. Er feiert mit seinen Freunden ein Mahl nach jüdischem Ritus.

Sein Volk hat in Jahrhunderten die Erfahrung gemacht, dass Gott nicht irgendein Teil der Welt ist. Vielmehr ist Gott der Ursprung von allem.

Zugleich hat dieses Volk Israel die Erfahrung gemacht, dass Gott für sie da ist: er befreit sein Volk aus der Sklaverei, er stärkt es auf dem Weg durch die Wüste, er hilft ihm, durch gute Gesetze in Gerechtigkeit zu leben, er beruft Einzelne aus der Mitte des Volkes, um Unrecht anzuklagen und neue Aufbrüche zu wagen. Und Gott ist da. Das ist die Erfahrung.

Die Bibel ist Zeugnis dieser Erfahrung; sie ist kein "von oben" eingeflüsterter Text, sondern hält Erfahrung fest, die "unten" gemacht wurde. Gott textet die Menschen nicht zu. Gott führt vielmehr Menschen zu einer Gemeinschaft zusammen, in der sie greifbare Erfahrungen seiner Gegenwart machen.

Deswegen hat Jesus keinen Text hinterlassen, sondern Fakten gesetzt. Er hatte gesagt, dass in ihm Gott selbst für die Menschen erkennbar wird. Damit hatte er riskiert, dass die staatlichen und religiösen Autoritäten ihn ans Kreuz schlagen, ganz real.

Er hat seinen Jüngern am Vorabend dieser Hinrichtung etwas hinterlassen, durch das er selbst, erfüllt vom Heiligen Geist und ausgerichtet auf seinen himmlischen Vater, für immer bei der Versammlung seiner Freunde sein wollte, wenn sie diesen Ritus "zu seinem Gedächtnis" vollziehen: Das Dankgebet an Gott (Eucharistie); das Brot, das gebrochen wird, so wie er selbst am Kreuz zerbrochen wurde (Brotbrechen); das Versprechen, dass dieses Brot seine leibhafte Gegenwart und der danach gereichte Wein sein gegenwärtiges Leben ("mein Blut") sei.

Damit stiftet Jesus den "Neuen Bund". Aus der Gemeinschaft seiner Freunde wird so die Kirche, die in seinem Namen zusammen kommt, und die das Abendmahl mit Brot und Wein als Ritus feiert, in dem er mit Leib und Blut für sie da ist.

In der Feier des Abendmahles findet sich die ganze Gotteserfahrung der christlichen Kirche wie in einem Brennpunkt zusammengefasst. Deswegen feiern Katholiken täglich, Orthodoxe und viele evangelische Kirchen jeden Sonntag ihren Gottesdienst als Abendmahlsfeier.

Diese "Göttliche Liturgie" wird in der lateinischen Tradition bei Lutheranern und Katholiken auch Heilige Messe genannt, von lateinisch "mittere" (senden).

Denn zum Abendmahl versammelt Jesus Christus seine Gemeinde, um sie dann zu senden. In der Nächstenliebe, zu der Christen berufen und gesandt sind, wird das Abendmahl real im Leben. Deswegen sollte aus der Versammlung der Getauften untereinander dann die Gastfreundschaft folgen, in der die Nächstenliebe besonders sichtbar wird.