Die ehemalige Staatsanwältin Jilliane Hoffman liest aus “Mädchenfänger“

Es ist der Albtraum aller Eltern: Ihr Kind ist verschwunden. Irgendwann hat sich die Tochter oder der Sohn auf den Weg gemacht zu Freunden oder zum Sport, kam aber nie bei den Bekannten oder beim Training an. Seitdem ist das Leben der Mütter und Väter die Hölle, in der sie qualvoll schmoren zwischen Zuversicht und Angst. Auf der einen Seite die Hoffnung, dass das Kind nur die Nase voll hatte von der Enge im Elternhaus und einfach weggelaufen ist, um selbstbestimmt zu leben. Auf der anderen Seite das Bangen, dass das Kind längst tot ist, womöglich Opfer eines Gewaltverbrechens. Und zwischen diesen Extremen gibt es keine Gewissheit, die dem Grauen irgendein Ende bereiten könnte.

Special Agent Robert Dees lebt und leidet doppelt intensiv in diesem Albtraum: Seine pubertierende Tochter Katy ist seit fast einem Jahr spurlos verschwunden, und als Polizist einer FBI-Abteilung in Südflorida sucht er Tag für Tag nach vermissten Kindern.

Kindern wie der 13-jährigen Elaine. Die kommt aus einem sozial zerrütteten Zuhause; der Verdacht liegt nahe, dass sie rauswollte aus dem Leben zwischen der überforderten Mutter, dem desinteressierten, lieblosen Stiefvater und nervenden Geschwistern. Doch dann stellt sich heraus, dass Elaine sich mit der frischen Internet-Bekanntschaft aus einem Chatroom treffen wollte, einem äußerst attraktiven, von allen Mädchen umschwärmten Jungen namens Zach, der ihr im Netz charmante Avancen gemacht hat. Am vereinbarten Treffpunkt, dem Parkplatz einer Highschool, verlieren sich jedoch alle Spuren des Mädchens.

Schnell ermittelt Dees, dass Zach nie in dem Chatroom unterwegs war; jemand anders hat dort Zachs Existenz genutzt, um sich an Elaine heranzumachen. Als dem Polizisten dann noch unheimliche Gemälde zugespielt werden, deren Analyse zum Fund von immer mehr Mädchenleichen führt, scheint klar, dass ein psychopathischer Serienmörder sein Unwesen treibt. Ein gesichtsloser Killer, der vielleicht auch Katy Dees in seinen Klauen hat. Ein so nervenaufreibendes wie tödliches Katz-und-Maus-Spiel ist in vollem Gange. Und Robert Dees beginnt zu ahnen, dass ihm eine unheilvoll zentrale Rolle darin zugedacht ist.

Mit "Mädchenfänger" hat US-Bestsellerautorin Jilliane Hoffman ("Cupido", "Morpheus", "Vater unser") den Thriller zur Realität geschrieben. Das Buch greift in der amerikanischen Kulisse auf, was spätestens seit der umstrittenen RTL-2-Sendung "Tatort Internet" auch in Deutschland ein prominentes Thema ist: die Gefahren, die (im Zweifel nicht nur) Jugendlichen in Sozialnetzwerken und Chatrooms im World Wide Web drohen können.

Als Mutter zweier Internet-affiner Töchter im Teenager-Alter und ehemalige Staatsanwältin, die auch mit dem Themenfeld Cyberspace intensiv befasst war, fällt es Hoffman leicht, aus dem Stoff einen spannenden Plot zu entwickeln. Den hat sie routiniert, streckenweise aber etwas vorhersehbar aufgeschrieben.

Dabei ist es mutmaßlich dem Lesefluss geschuldet, dass die genauen Recherchen der Autorin in "Mädchenfänger" manchmal eine differenzierte Darstellung vermissen lassen und in eine recht pauschale Verdammung des Internets münden. Zudem stellt sich Hoffman mit ihrem Kenntnisreichtum ein ums andere Mal Hindernisse in den Weg. Es mag für Spezialisten durchaus interessant sein zu erfahren, welche Strukturen die amerikanischen Ermittlungsbehörden entwickelt haben, um mit jährlich etwa 800 000 Fällen vermisst gemeldeter Kinder umzugehen. Aber wenn die Erfolgsautorin am 2. November auf Kampnagel liest, dann ist sie gut beraten, Konstrukte wie die Datenbank Missing Endangered Persons Information Clearinghouse (MEPIC) und kryptische Codes wie AMBER, CAC und CAE, von denen es im Buch wimmelt, außen vor zu lassen.

Jilliane Hoffman liest aus "Mädchenfänger" deutscher Text: Stefanie Schmid, Moderation: Margarete von Schwarzkopf, Di 2.11., 18.00, Kampnagel k2, Eintritt: 12,-

"Mädchenfänger" ist erschienen bei Wunderlich, 461 Seiten, Übersetzung aus dem Englischen: Sophie Zeitz; Internet: www.jillianehoffman.com