Zoran Drvenkar lässt in seinem verstörenden Thriller “Du“ tief in Abgründe blicken

Am Anfang steht mehr als nur ein Toter. Gleich 26 Menschen sterben 1995 während eines Schneesturms auf einer Autobahn in Thüringen. Ihr Tod ist nicht Folge eines Unfalls, denn diese Menschen sitzen in ihren Autos, gefangen im Stau. Sie alle sterben durch die Hände eines Mannes. "Der Reisende" hat ihn Zoran Drvenkar in seinem aktuellen Thriller "Du" genannt, und er wird weiter morden, wenn die Handlung des Romans voranschreitet.

Warum der Mann tötet, ist eines der Rätsel, von denen Drvenkar erzählt. Das eigentliche Rätsel aber, dem der 1967 in Kroatien geborene und seit 40 Jahren in Berlin lebende Autor auf der Spur ist, ist das Böse in uns. In mir. In dir. "Du" hat er deshalb sein ungemein raffiniertes Seelendrama genannt - denn Drvenkar erzählt seine Geschichte einer Jagd in der Du-Form, aus 14 wechselnden Perspektiven. "Das Du ist für mich der letzte Schritt auf den Leser zu", hat er in einem Interview gesagt.

So stellt sich in der Tat eine erstaunliche Nähe zu den Figuren ein - zu dem "Reisenden", zu den fünf Mädchen, die in Berlin ihren Spaß haben wollen und schnurstracks auf einen Abgrund zutaumeln, zu Ragnar, dem Kopf einer kriminellen Bande, die verschworen ist wie eine Familie. Drvenkar entwirrt die seelischen Verstrickungen, denen seine Protagonisten unterworfen sind, zumeist herrührend aus zerrütteten familiären Verhältnissen.

Die Handlung eskaliert, als die Mädchen bei dem ermordeten Vater der jungen Taja kiloweise Heroin finden und es verkaufen wollen. Der Tote allerdings war der Bruder Ragnars und der will nicht nur die Tat rächen, sondern fordert auch sein Heroin zurück. Und macht Jagd auf die Mädchen. In einem Hotel in Norwegen kommt es schließlich zum Showdown. Denn auch "Der Reisende" ist noch auf seinem Weg ...

Ein verstörender, ein faszinierender Roman. Ein Drama.

Zoran Drvenkar Moderation: Antje Flemming, Di 2.11., 20.00, Kampnagel, Eintritt 10,-