mit Propst Johann Hinrich Claussen. Wie Halloween auch einen theologischen Sinn bekommen kann

Ein Vorteil, in einem Pastorat zu wohnen, zeigt sich jedes Jahr am Abend des 31. Oktober: An Halloween muss der Pastor viel seltener an die Haustür als seine Nachbarn. Um die religiöse Elementarbildung ist es hier nicht mehr gut bestellt, dennoch wissen viele Kinder noch, dass Halloween kein kirchliches Fest ist und es folglich im Pastorat wenig zu holen gibt. Nun kann man geteilter Meinung über dieses neue Kindervolksfest sein, das uns die Süßigkeitenindustrie aus den USA nach Deutschland gebracht hat. Andererseits gibt es fast nichts, dem man nicht einen theologischen Hintersinn abgewinnen könnte.

Den Katholiken müsste dies mit Halloween eigentlich leichtfallen. Denn dies ist der Vorabend von Allerheiligen. Am 1. November gedenken Katholiken der Gemeinschaft mit allen bekannten und unbekannten Heiligen, die vor Gott Fürbitte halten - eine für viele tröstliche Vorstellung. Am 2. November aber folgt Allerseelen, wo der Seelen im Fegefeuer gedacht wird. So ergibt sich aus Allerheiligen und Allerseelen eine Spannung aus Hoffnung und Furcht, die den christlichen Glauben grundsätzlich auszeichnet. Den Kindervers "Süßes oder Saures" könnte man als ein fernes Echo darauf hören.

Auch für Protestanten gibt es einen Ausgangspunkt zu einer theologischen Deutung. Das neudeutsche Halloween fällt auf den guten alten Reformationstag. Hier wird der Theologie und Kirchenreform Martin Luthers gedacht. Oft wird der Reformator dabei als ein Begründer neuzeitlicher Gewissensfreiheit und moderner Christlichkeit gefeiert. Das war er auch - aber nicht nur. Er hatte auch seine dunklen, "mittelalterlichen" Seiten, litt unter der Furcht vor Gott und der Angst vor dem Teufel. Das ist vielen heute fremd.

Wir Protestanten haben etwas zu oft Lieder wie "Herr, deine Liebe" oder "Danke für diesen guten Morgen" gesungen, sodass wir fast vergessen haben, dass der christliche Glaube auch seine Abgründe hat. Diese sollte man nicht überbetonen, aber sie haben einen Sinn. Zeigen sie doch, dass der Glaube nicht harmlos ist, sondern dass es in der Ehrfurcht vor Gott auch um Furcht und Zittern geht. Daran könnte uns ein Besuch fröhlicher Gruselkinder aus der Nachbarschaft am Reformationstag erinnern.