Im Ruwertal kann man nicht nur Rad fahren und wandern, sondern auch prima Wein genießen

Das Ruwertal steht bei Rad- und Weinfreunden hoch im Kurs. Die einen schwärmen vom Ruwer-Hochwald-Radweg auf der Trasse der früheren Hochwaldbahn - eine Traumstrecke. Die anderen begeistern sich für die rassigen, fruchtbetonten, mineralischen Rieslinge von den Schiefersteillagen des wunderschönen Tals. Die einen wie die anderen trauen aber kaum ihren Augen, wenn sie auf halber Strecke zwischen Waldrach und Morscheid hoch am Osthang ein prächtiges französisches Château erblicken: Schloss Marienlay - die Wirklichkeit gewordene Vision eines Trierer Kaufmanns aus den 1920er-Jahren.

Das am höchsten gelegene Weingut der Ruwer strebt heute ganz hoch hinaus. Dank Annegret Reh-Gartner. Ihr Großvater Carl Reh hatte 1920 in Leiwen an der Mosel eine Weinkellerei gegründet, die viel Erfolg hatte. Den übertraf ihr Vater Günther noch bei Weitem. "Wir haben als Kinder in den Ferien immer in der Firma arbeiten müssen", erzählt Annegret Reh-Gartner. Aber ihr Interesse galt Sprachen, nicht dem Wein. "Doch dann haben wir 1978 das Weingut Kesselstatt gekauft, da war ich 24. Da hab ich gedacht: 'Menschenskind, das wäre mein Ding'."

Nur war es für sie zu spät, um das übliche Weinbaustudium zu absolvieren. Stattdessen stürzte sie sich in praktische Erfahrungen auf dem Weingut Wegeler unter Trockenwein-Pionier Norbert Holderrieth und auf Schloss Reinhartshausen in der Riesling-Hochburg Rheingau. 1981 stieg sie bei Kesselstatt ein.

Erster Weinberg 1359

Im 14. Jahrhundert zogen die Ritter von Kesselstatt aus Hessen an die Mosel, wo sie in den Dienst der Trierer Kurfürsten traten. Im Jahre 1349 erwarben sie dort einen Wingerten, im Rückblick der offizielle Start ihres Weinguts. Das Adelsgeschlecht hatte auch ganz offiziell mit Wein zu tun, denn dem 1362 als Hofmarschall bestallten Johann von Kesselstatt unterstand der Keller des Kurfürsten Kuno II. von Falkenstein. Später waltete sein Sohn Friedrich als Mundschenk. Nachdem sie schon zu Reichsfreiherren aufgestiegen waren, erhob Kaiser Josef II. die Kesselstatts im Jahr 1776 zu Reichsgrafen.

Die berühmtesten Weinberge des heutigen Guts - wie die Monopol-Lage Josephshöfer in Graach - gehörten früher zum Trierer Kloster St. Maximin und wurden von den Kesselstatts zwischen 1854 und 1889 übernommen.

"Am Anfang habe ich nur Vertrieb und Marketing gemacht und bin 1981 für drei Monate in die USA gegangen, denn meine Stärke waren die Sprachen und meine Spontaneität. Erst 1983 bin ich in die Geschäftsführung eingetreten. Vorher wäre das auch Quatsch gewesen", erklärt Annegret unverblümt, "und richtig hineingewachsen bin ich dann erst 1988/89, wo ich mehr und mehr auch die anderen Bereiche übernommen habe." Die erste große Anerkennung kam 1989, als sie zur Winzerin des Jahres gewählt wurde.

Das Gut machte einen wichtigen Fortschritt, als Günther Reh 1987 auf Marienlay einen modernen Keller baute. Gern wäre seine Tochter mit dem Büro schon damals vom alten Palais Kesselstatt, das gegenüber des Trierer Doms steht, an die Ruwer gezogen. Doch das musste bis 1999 warten, dem Jahr des 650. Jubiläums.

Mut zur Qualität

Schon 1988 hatte die junge Winzerin eine genaue Vorstellung davon, wie sie die Qualität steigern wollte. "Das konnte ich aber erst 1999 realisieren. Ich habe den Betrieb dann verkleinert, um fokussieren zu können. Wir haben dann kontinuierlich die Qualität hochgebracht. Wir waren nicht schlecht, aber heute, glaube ich, sind wir sehr gut." Die international beachtete Revue Wine Spectator gibt ihr recht - mit Spitzenbenotungen von bis zu 97 von 100 Punkten.

"Was man immer vergisst", betont Annegret, "wir haben 36 Hektar, und wir sind der einzige Betrieb außer der Kirche, der an Mosel, Saar und Ruwer gleichzeitig Rebbesitz hat. Das hat sonst keiner. Das ist eine riesige Herausforderung." Es verlangt eine aufwendige Organisation mit drei Weinbergmannschaften und inzwischen neuen Mitarbeitern, die verstehen, warum man stark zurückschneidet: für niedrigere Erträge, denn das bedeutet höhere Qualität. Ausschließlich Riesling steht in ihren Steillagen, denn ihm gehört ihre Leidenschaft - auch wenn sie einen guten Bordeaux oder Burgunder nicht verschmäht.

Denn Annegret Reh-Gartner genießt gern. Schließlich ist sie mit dem früheren 2-Sterne-Koch Gerhard Gartner verheiratet, der im Aachener Restaurant "Gala" die deutsche Regionalküche revolutionierte. "Mein Mann ist nicht im Tagesgeschäft", verrät die Winzerin. "Unsere Stärke ist heute, dass wir uns unseren Kunden widmen können, was ich früher nicht konnte, weil ich nicht kochen kann. Und es ist eine ganz andere Sache, als Einzelperson zu bewirten oder als Paar. Außerdem hat Gerhard eine Riesenliebe zum Gast und zum Kochen, was für uns unschätzbar wertvoll ist."

Zwei große Jahrgänge

Mit Verve tritt sie für den Jahrgang 2008 ein. "Der 2008er ist ein wunderbarer Jahrgang, wenn man die typische Mineralität, Leichtigkeit und Transparenz sucht, die halt unsere Region ganz besonders bietet." Beim Schloss Marienlay Riesling 2008, einer Cuvée aus den Steillagen von Mosel, Saar und Ruwer, kommt dieser Jahrgang besonders zum Tragen.

Die durch den kalten September bewirkte lange Reifeperiode gab dem Wein eine intensive exotische Fruchtnote, herrliche Frische und feine Süße, Mineralität und beachtliche Länge. "Den würde ich klassisch zu Asiatischem mögen, aber auch zu Geräuchertem wie Schinken, Lachs oder Forelle empfiehlt die Winzerin.

Der Jahrgang 2009 zählt zu den legendären Jahrgängen. "Der 2009er ist richtig trocken, und bei ihm war es leicht, die Spontanvergärung durchzuführen, was in den Aromen sehr stark heraus kommt", kommentiert Annegret Reh-Gartner. Diese verleiht dem Wein die für Kasel so typischen Aromen von würzigen roten und schwarzen Wild- und Johannisbeeren und eine groß-artige, an Feuerstein erinnernde Mineralität.

"Den trockenen Kaseler nehme ich zu kräftigen Gerichten wie Pastete, zu Hartkäse, zu weißem Fisch mit leichter Soße und zu gedünstetem Geflügel", sinniert sie. Am Gaumen spielt die fruchtig-saftige Säure, die diesen Riesling so außerordentlich anregend macht. Unweigerlich muss man dabei an die einmaligen Weinlandschaften von Mosel, Saar und Ruwer denken. Da strahlt die Winzerin und verrät: "In jeder Flasche Wein steckt ein Stück Heimat."