Eine Ausstellung belegt: Während des Faschismus fand an deutschen Opernhäusern eine Judenvertreibung statt

An den Opernhäusern Deutschlands - schien es - waren die Verbrechen der Nationalsozialisten spurlos vorübergegangen. Im September 2006 räumte die Hamburger Ausstellung "Verstummte Stimmen - Die Vertreibung der 'Juden' aus der Oper 1933 bis 1945" mit dieser Vermutung auf. Sie notierte 71 Schicksale verfolgter Sängerinnen und Sänger, Dirigenten, Komponisten sowie anderer Theatermitarbeiter: 37 stammten von der Hamburgischen Staatsoper, 44 aus anderen Teilen Deutschlands.

Initiiert hatten die Schau der Historiker Hannes Heer, der Stimmen-Experte Jürgen Kesting und der Gestalter Peter Schmidt. Realisiert wurde sie mithilfe des Hamburger Abendblattes und der großzügigen Unterstützung durch die Axel-Springer-Stiftung, deren Anfang 2010 gestorbener Vorsitzender Ernst Cramer in seiner Eröffnungsrede das schandbare Verhalten vieler Künstler und Journalisten angesichts der Juden-Verfolgungen in den Kulturinstitutionen geißelte.

Diese erste Ausstellung in der Axel-Springer-Passage und der Hamburgischen Staatsoper hat Folgen bis heute: Seither wurde sie an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, an der Staatsoper Stuttgart und am Hessischen Landestheater Darmstadt gezeigt. 2011 folgen die Dresdner Semperoper, 2012 das Festspielhaus in Bayreuth. An jedem der Orte besteht Anlass, die Schicksale verfolgter Musiker dem Vergessen zu entreißen. 20 000 Besucher informierten sich über die Schicksale der Sängerinnen und Sänger, deren Stimmen ob ihrer jüdischen Herkunft oder politischer Missliebigkeit verstummen sollten. Weitere 30 000 im Internet. Asher Ben Nathan, Israels erster Botschafter in Deutschland, lobte das Projekt: "Es ist wichtig, damit die Jungen verstehen, was nicht verstehbar ist." Das Hamburger Abendblatt erinnerte 2006 in einer großen Serie u. a. an den Chorsänger Kurt Abraham Salnik, der wohl 1941 im Rigaer Getto starb, und an die Sopranistin Camilla Fuchs, die vor der Deportation in den Tod floh. Andere Künstler bekamen Berufsverbot, berühmtere wie Dirigent Fritz Busch oder Sängerin Sabine Kalter flohen ins Ausland. Sängerin Ottilie Metzger-Lattermann wurde dagegen in Brüssel verhaftet und kam wohl in Auschwitz um. Vor der Hamburgischen Staatsoper erinnern seit der Schau Stolpersteine an Ensemblemitglieder und Gäste, die den Nazi-Terror nicht überlebten.