Das Internationale Maritime Museum hat ein Partnermuseum im chinesischen Lingang bekommen

Im November 2008 übergab eine chinesische Delegation dem Museumsstifter Peter Tamm das Modell eines Kriegsschiffes aus der Zeit des großen chinesischen Entdeckers Zheng He (1371-1435). Mit Befriedigung konnten die Chinesen damals registrieren, dass Zheng He schon längst in Hamburg angekommen war: Im Internationalen Maritimen Museum steht seine Büste in der Galerie der Entdecker neben den Bildnissen der Seefahrer Leif Eriksson, Bartholomeu Diaz, Vasco da Gama, Christoph Columbus, Ferdinand Magellan und James Cook. "China gehört zu den großen Seefahrernationen. Dieses Land hat enorme Leistungen erbracht. Und dessen ist man sich in China auch bewusst", sagt Peter Tamm, in dessen Sammlung China schon seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielt.

Da verwundert es nicht, dass sich die chinesischen Experten, die damit beauftragt waren, unweit von Shanghai eine nationale Schifffahrtssammlung aufzubauen, sich im Vorfeld im Internationalen Maritimen Museum umgesehen und Anregungen geholt haben. "Ihre Ausstellung in dem wundervollen alten Speichergebäude hat mich sehr beeindruckt. Ich bin überzeugt, dass wir vieles von Ihnen lernen können", meinte An Chengyao, der Direktor des neuen Hauses. Anfang Juli war es soweit: In der 60 Kilometer südlich von Shanghai nach einem Entwicklungsplan des Hamburger Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner (gmp) realisierten Stadt Lingang wurde das China Maritime Museum eingeweiht.

Wie die geblähten Segel zweier Dschunken sehen die 58 Meter hohen Dachschalen aus, die die große Ausstellungshalle überragen. Sie berühren sich nur an einem einzigen, 40 Meter hoch gelegenen Punkt und sind weithin sichtbar - ein grandioses Wahrzeichen, das sich in dem künstlichen See spiegelt, der das Zentrum dieser neuen Stadt bildet. Der Architekt Meinhard von Gerkan hat ein Gebäude entworfen, das wie eine Skulptur wirkt, seine Bestimmung symbolisch zum Ausdruck bringt und den Bedürfnissen eines modernen Museums ideal entspricht.

Zur Eröffnung war Peter Tamm jun. der Einladung der chinesischen Partner gefolgt. Er übergab der Museumsleitung einen Brief des ehemaligen Ersten Bürgermeisters Ole von Beust, in dem dieser die guten und intensiven Beziehungen zwischen Hamburg und China würdigte. Wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg und dem China Maritime Museum schon bei dessen Konzeption und Aufbau gewesen ist, konnte Peter Tamm jun. schon bei seinem ersten Rundgang erfahren. Systematik und thematische Darstellung erinnern in vielen Bereichen an die Decks im Kaispeicher B, auch wenn die räumlichen Verhältnisse in Lingang ganz anders sind als bei dem für Ausstellungszwecke umgebauten Lagerhaus.

Die Geschichte der chinesischen Navigation, Schiffe und Schiffsausrüstung, Häfen, Arbeit und Sicherheit auf See sowie die Geschichte der chinesischen Marine sind die wichtigsten Themen der Ausstellungshallen, in denen zahlreiche Originalobjekte und eine Vielzahl von Modellen präsentiert werden. Außerdem gibt es in dem Museum einen Kinderbereich, ein 4-D-Kino und ein Planetarium, in dem u. a. die Bedeutung der Sterne für die Navigation demonstriert und erklärt wird.

Allerdings wird dem Besucher schnell deutlich, dass sich der thematische Ansatz zwischen den Museen in Lingang und Hamburg erheblich voneinander unterscheidet. Während das China Maritime Museum - ähnlich wie die großen Museen in Greenwich, St. Petersburg, Amsterdam, Norfolk oder Bremerhaven - nationale Schifffahrtsgeschichte erforscht und vermittelt, widmet sich Peter Tamms Sammlung seit jeher der internationalen Schifffahrtsgeschichte, die als wesentliche Triebkraft der menschlichen Entwicklung erklärt wird.

Doch gerade deshalb bietet das Hamburger Museum zahlreiche Anknüpfungspunkte zum Sammlungsgebiet des neuen Hauses in Lingang. Das Modell des Schatzschiffes, das Ye Chonggeng, der Bürgermeister von Xiamen, Peter Tamm 2008 überreichte, passt daher hervorragend in die Sammlung des Internationalen Maritimen Museums Hamburg, in dem auch die Leistungen von Zheng He ausführlich gewürdigt werden.

Es war eine sensationelle archäologische Entdeckung, die erst in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts Licht in das Dunkel dieser Geschichte gebracht hat. In der Provinz Fujan, jener Gegend, von der aus der Seefahrer seine Expeditionen einst gestartet hatte, wurde eine Steinsäule entdeckt, deren ausführliche Inschrift von den abenteuerlichen Fahrten und von Zheng Hes Schicksal berichtete: Der später so bedeutende Seefahrer war eigentlich ein Außenseiter, entstammte einer muslimischen Familie, die in der Provinz Yunnan lebte. Im Alter von elf Jahren, als die Truppen der Ming-Kaiser die Provinz besetzten, geriet er in Gefangenschaft. Da seine außergewöhnlichen Begabungen schnell auffielen, wurde er in den Dienst des Kaisers gestellt, erhielt eine vorzügliche Ausbildung sowohl in der Kriegskunst als auch in der Diplomatie. Seine große Stunde schlug 1403, als ihm Kaiser Zhu Di einen bemerkenswerten Auftrag erteilte. Er solle - so ist auf der Steintafel vermerkt - zu den Ländern jenseits des Horizonts segeln, bis ans Ende der Welt. So großartig Zheng Hes Erfolge waren, so plötzlich endete die Ära der Seefahrt. 1424, nach dem Tod des Kaisers Zhu Di, wurden alle hochseetauglichen Schiffe zerstört. Seine Nachfolger trieben ihre Machtinteressen nur auf dem Festland voran. Die Seefahrt spielte für China lange Zeit nur noch eine untergeordnete Rolle.

Heute gehört China zu den weltweit wichtigsten Schifffahrtsnationen mit besonders intensiven Beziehungen zu Hamburg. Nicht nur zum Hafen, sondern auch zum Maritimen Museum, das durch eine Kooperationsvereinbarung mit dem China Maritime Museum in Lingang verbunden ist.