Ein Gespräch mit Volker Rodekamp, dem neuen Präsidenten des Museumsbundes

Der 1917 gegründete Deutsche Museumsbund ist der bundesweite Interessenverband aller Museen. Im Mai wurde der Volkskundler Dr. Volker Rodekamp zum Präsidenten gewählt. Fragen zur Situation der Museen an den 56-Jährigen, der auch Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig ist:

Abendblatt:

Die öffentlichen Haushalte müssen überall sparen. Was bedeutet das für die öffentlich finanzierten Museen?

Dr. Volker Rodekamp:

Die geringen Spielräume, die die Museen infolge einer schon seit Jahrzehnten bestehenden Unterfinanzierung noch hatten, verringern sich derzeit dramatisch. Stellen werden nicht wieder besetzt und die finanzielle Ausstattung gekürzt. Dadurch geraten die Museen in eine zunehmend schwierigere Lage, die sich allerdings so nicht erst akut ergeben hat. Sie ist das Ergebnis einer Entwicklung, die schon vor Jahren eingesetzt hat. Das steht im krassen Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung der Museen als sehr erfolgreiche Bildungsinstitute.

Können Museen ihren Auftrag noch erfüllen?

Wir müssen neu darüber nachdenken, worin unser Auftrag besteht. Wir haben keine homogene Museumslandschaft, es gibt ganz kleine Einrichtungen, die zum Teil ehrenamtlich geleitet werden, aber natürlich auch große museale Komplexe mit Weltgeltung. Daher ist es schwer, die Frage allgemein zu beantworten. Insgesamt ist aber der Auftrag, vor allem im Bereich des Sammelns, Bewahrens und Forschens, kaum mehr zu erfüllen.

Was heißt das konkret?

Die Kunstmuseen haben zum Beispiel kaum eine Chance mehr, in adäquater Weise mit Unterstützung der öffentlichen Hand, das Kunstgeschehen der Welt zu reflektieren und in ihre Sammlung hineinzuholen. Heute sind die deutschen Museen nicht mehr die zentralen Orte, an denen die Reflexion über die Kunst der Gegenwart stattfindet.

Im letzten Jahrzehnt hat sich das Image der Museen erheblich gewandelt. Heute werden sie vor allem als Teil der Freizeitkultur wahrgenommen. Was hat das für Konsequenzen?

Das Museum hat vier gleich bedeutende Arbeitsaufträge: das Sammeln, das Erhalten, das Erschließen und das Vermitteln. In der offenen, bildungsorientierten Gesellschaft haben die Museen seit den 70er-Jahren eine neue Wertschätzung erfahren. Sie haben durch Schwerpunkte im Ausstellungswesen erfolgreich auf sich aufmerksam gemacht. Das hat dazu geführt, dass sie heute im Wesentlichen in der Resonanz auf ihre Ausstellungstätigkeit öffentlich wahrgenommen werden. Erkauft worden ist das durch die Vernachlässigung der anderen Arbeitsfelder.

Große Besucherzahlen sind nur mit attraktiven Sonderausstellungen zu erreichen. Geraten die eigentlichen Sammlungen damit nicht ins Abseits?

Der Eindruck drängt sich manchmal auf, weil die Museen heute häufig zu reinen Ausstellungsagenturen geworden sind. Das hängt auch damit zusammen, dass der Erfolg eines Hauses nur noch an großen Besucherzahlen gemessen wird. Diese sind jedoch nicht in jeder Stadt, nicht mit jedem Thema und auch nur unter bestimmten Rahmenbedingungen erreichbar.

Gibt es in der Gesellschaft ein ausreichendes Bewusstsein dafür, welche Werte in den Museen bewahrt werden?

In der politischen Diskussion werden die Werte der Sammlungen eines Museums häufig mit Versicherungssummen in Beziehung gesetzt. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir als Bewahrer des kulturellen Erbes unserer Nation agieren, das wir für die Zukunft bewahren müssen. Das allein unter Kapitalgesichtspunkten zu betrachten halte ich für eine enorme Verkürzung.

In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Museen in Deutschland erheblich zugenommen. Ist diese Museumslandschaft auf Dauer zu erhalten?

Darüber diskutieren wir zurzeit sehr ernsthaft. Es ist wahr, dass wir seit vielen Jahren einen Museumsboom zu verzeichnen haben. Aber es handelt sich hierbei überwiegend um kleinere Einrichtungen, die meistens aus privater Initiative entstanden sind, weniger um große, öffentlich getragene Häuser. Statistiken kann man entnehmen, dass heute in Deutschland mehr als 6000 Museen existieren. Das ist eine Dichte, die sich in den letzten Jahren dramatisch entwickelt hat. Setzte sich diese Dynamik in derselben Geschwindigkeit fort - bei gleichzeitig prognostiziertem Rückgang der bundesdeutschen Bevölkerung - hätten wir im Jahr 2100 bei nur noch 60 Millionen Einwohnern mehr als 20 000 Museen. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass auf 2500 Menschen ein Museum käme. Ein solches Szenario kann niemand für wünschenswert halten. Ich glaube, wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie viele Museen wir wirklich brauchen, welche Aufgaben sie wahrnehmen und wie diese Museen aussehen sollen.

Und wie sieht Ihre Schlussfolgerung aus?

Es kann künftig nicht mehr darum gehen, die Museumslandschaft zu verbreitern oder zahlenmäßig zu vergrößern, das Wachstum kann nur in der Qualität liegen. Das heißt: Wir müssen die Museen als Bildungseinrichtungen verbessern und Sorge dafür tragen, dass sie ihren bildungspolitischen Auftrag zunehmend besser erfüllen können.