Neu-Kapitän und Musterprofi Heiko Westermann will beim HSV vorangehen

Hamburg. "Winterhude oder so. Glaube ich. Gibt es so was überhaupt?" Bei der Frage nach dem Stadtteil, in dem er künftig wohnen wird, wirkt Heiko Westermann orientierungslos. Und das passiert ihm selten. Im Gegenteil, Westermann ist einer jener Menschen, die sich schnell zurechtfinden. Binnen weniger Wochen hat es der Zugang von Schalke 04 beim HSV deshalb zum Führungsspieler gebracht. Der Nationalspieler wurde sogar zum neuen HSV-Mannschaftskapitän berufen. Dass seine Pflichtspielpremiere gegen den Fünftligisten Torgelower SV Greif trotz eines 5:1-Sieges gründlich daneben ging, ist bei dem 26-Jährigen schon fast traditionell. "Meine Starts bei den verschiedenen Klubs gingen immer in die Hose", erinnert sich der gerade von einem Fußbruch kurierte Westermann, "aber dann lief es. Ich weiß auch, dass ich noch einige Prozente aufzuarbeiten habe - aber bis zum Start bin ich bei 100 Prozent."

Das sollte der Innenverteidiger auch. Immerhin geht es am Sonnabend gleich gegen seinen Ex-Klub Schalke 04, dessen Trainer Felix Magath ihm im Laufe der Vorbereitung nahegelegt hatte, sich einen neuen Verein zu suchen. Und das, obwohl Westermann bei den Königsblauen ebenfalls zu den Führungsspielern zählte und am Ende auch zum Kapitän ernannt worden war. "Ich mag mich zu Magath nicht mehr äußern", umgeht Westermann die Konfrontation mit seiner Vergangenheit, "ich bin ja nicht nach Hamburg gegangen, um mich mit Schalke zu beschäftigen. Ich habe hier genug Ziele, um die ich mich kümmern will."

Fünf Jahre will er sich darum kümmern. Eine ungewöhnlich lange Zeit für einen Nationalspieler. Allerdings erklärt sie sich, betrachtet man Westermann genauer. "Ich bin niemand, der schnell geht", sagt der im unterfränkischen Wasserlos geborene passionierte Golf-Spieler, "ich werde gern heimisch." Zusammen mit seiner Frau und seiner zwei Jahre alten Tochter hatte sich Westermann auch auf eine lange Zeit beim FC Schalke eingestellt, freute sich besonders auf die erreichte Teilnahme an der Champions League diese Saison. "Das war auch ein Grund, weshalb ich mich am Anfang beim Gedanken an einen sofortigen Wechsel schwer tat", gibt Westermann zu. Allerdings, und das schiebt er sofort nach, "mit Hamburg sind derartige Ziele der normale Anspruch." Verschlechtert habe er sich demnach "ganz sicher nicht".

Zumal die rund 3,5 Millionen Euro Jahresgehalt dem Defensivspezialisten den Wechsel erträglich gestalten dürften. Unmittelbar hinter Ruud van Nistelrooy angesiedelt, avancierte der Führungsspieler somit zum Topverdiener innerhalb seiner neuen Kollegenschaft. Dass es dabei keinen Neid gibt, liegt an dem verträglichen, bescheidenen und ruhigen Gemüt Westermanns. Der HSV-Kapitän ist zudem niemand, der spinnt. Er ist keiner, der sich öffentlich über Mannschaftskollegen beschwert oder sie intern anschwärzt. Manche behaupten, er sei einfach. Andere sagen, genau darin liege seine größte Stärke. Und in seiner Lust nach dem Wettkampf, dem Duellen. Nicht umsonst liebt Westermann die Filme von Einzelkämpfer Bruce Willis, der sich als John McLane in den vier Episoden von "Stirb langsam" einer Horde Terroristen entgegenstellt. Oder auch den Film "Gladiator", in dem Russell Crowe alias Maximus den Kampf mit Roms gefürchtetem Kaiser Commodus aufnimmt.. "Heiko strahlt die absolute Professionalität aus", lobt Trainer Armin Veh, "er hat eine klare Ansprache und schont weder sich noch seine Gegenspieler, sobald er den Platz betritt. Er ist ein Kämpfer und macht keinen Unterschied zwischen normalem Training und einem WM-Finale. Das imponiert."

Das und seine Bodenständigkeit. Westermann legt keinen Wert auf Glamour. Priorität hat allein seine Familie. Er wisse, dass er mit seinem Millionengehalt privilegiert sei. Und ja, er stehe zu seinem Gehalt. Er will so lange so gut verdienen wie möglich, und seiner Familie ein schönes Leben bieten. In den nächsten fünf Jahren in Winterhude. Und beim HSV. Als Kapitän in der Champions League. Westermann kurz und klar: "Das und nicht weniger ist mein Anspruch."