Die berühmte Himmelsscheibe von Nebra gibt Einblicke in Religion und soziale Ordnung um 1600 v. Chr. Eine originalgetreue Kopie erzählt ihre Geschichte

Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1999 hat sie weltweit Berühmtheit erlangt. Ihre Freilegung war illegal, ihr Verkauf ein Geschacher zwischen Händlern und Hehlern, ihre Wiederbeschaffung mithilfe der Polizei glich einem Krimi. Die Himmelsscheibe von Nebra, in der Nähe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden, gilt als archäologische Sensation. Die Bronzeplatte mit Goldapplikationen ist die wohl älteste konkrete Darstellung des Sternenhimmels. Sie gibt Auskunft über religiöses Brauchtum, Handelsbeziehungen und soziale Ordnung vor mehr als dreieinhalbtausend Jahren.

Das Archäologische Museum Hamburg präsentiert ihre faszinierende Geschichte in einer Ausstellung, die vom Landesmuseum Halle als Wanderausstellung konzipiert wurde: "Ein Himmel auf Erden". Ergänzt wird die Schau um Exponate aus den Beständen des Hamburger Museums, darunter ein mit Gold verzierter Hocker aus dem Landkreis Harburg, der einem Stuhl aus dem Grab des ägyptischen Pharao Tutanchamun ähnelt. Die Originalscheibe und die Beifunde dürfen ihr Domizil in Halle nicht verlassen. Deshalb sind in Hamburg detailgetreue Reproduktionen zu sehen. Modelle und Tafeln liefern dem Besucher alle Hintergründe des Jahrhundertfundes.

Raubgräber entdeckten die Himmelsscheibe zusammen mit zwei Schwertern, zwei Beilen, einem Meißel und zwei Armspiralen in einer Grube auf dem Mittelberg bei Nebra. Bei einem solchen Hort- oder Depotfund handelt es sich um eine Anhäufung von Gegenständen, die als Gaben an die Götter versteckt oder vergraben wurden. Man wollte so hier auch ehemaliges Ritualgerät dem profanen Gebrauch entziehen.

Das Alter der bronzenen Platte gab zunächst Rätsel auf. "Für die Himmelsscheibe gibt es keine vergleichbaren archäologischen Beispiele. Die zeitliche und kulturelle Einordnung des Depotfundes kann nur über die Beifunde erfolgen, die klar zu datieren sind", sagt Museumsdirektor Professor Rainer-Maria Weiss. Demzufolge wurde der Hortfund von Nebra um 1600 v. Chr. vergraben. Die Himmelsscheibe selbst ist älter, sie ist etwa 400 Jahre früher entstanden. Alle Gegenstände aus dem Hort hat man wahrscheinlich in Mitteleuropa hergestellt. In der Ausstellung simuliert eine effektvoll inszenierte Rekonstruktion im Maßstab eins zu eins die Fundsituation. Die annähernd kreisrunde Bronzeplatte hat einen Durchmesser von 32 Zentimetern und wiegt etwa zwei Kilogramm. Ihre grüne Farbe rührt von einer Malachitkorrosion durch die lange Lagerung im Erdreich her. Die Himmelsscheibe ist in mehreren Arbeitsgängen entstanden und hat dabei wiederholt ihr Aussehen verändert. Ursprünglich war auf der linken Hälfte des Nachthimmels der Vollmond und auf der rechten der zunehmende Mond zu sehen. Umgeben waren sie von 32 Sternen, die Sterne der sieben Pleiaden befanden sich an zentraler Stelle. Bei ihrer ersten Überarbeitung erhielt die Scheibe zwei goldene Horizontbögen. Wird die Bronzeplatte vom Mittelberg aus auf den Brocken ausgerichtet, so ist auf ihr der Wechsel der Jahreszeiten abzulesen: Sommer- und Wintersonnenwende sowie Herbst- und Frühlingsanfang.

In einer dritten Überarbeitung wurde ein Sonnenschiff mit einer federartigen Strichelung hinzugefügt. Ähnliche Strichreihen sind von Schiffsdarstellungen aus der Bronzezeit bekannt. Sie werden als Ruder oder Besatzung gedeutet. Der Glaube, dass die Sonne am Himmel auf einer Barke entlanggezogen wird, findet sich in dieser Zeit nur noch in Ägypten. "Nebra lag damals an einer Schnittstelle im Herzen des heutigen Deutschlands und auch Europas. Möglicherweise gab es Handelsbeziehungen zwischen den Ländern. Doch ebenso gut kann der Mythos von einem Himmelsschiff an zwei Orten parallel und unabhängig voneinander entstanden sein", so Professor Weiss.

Später musste die Scheibe anders verwendet worden sein als zuvor, denn der Rand wurde rundum gelocht. Möglicherweise wurde das Himmelsbild auf einem Träger befestigt und als Standarte getragen. In einer fünften und letzten Phase wurde ein Horizontbogen entfernt. Ein Grund für diese Veränderungen könnte ein Wandel der religiösen Vorstellungen und Symbole gewesen sein. Die Himmelsscheibe offenbart neben kunsthandwerklicher Fertigkeit Erstaunliches: Schon vor 3600 Jahren stellten die Menschen in Mitteleuropa sich die Welt als Kugel vor, umgeben vom Himmelsgewölbe, während viele antike Völker die Erde als Scheibe sahen. Die Annahme, dass auch der Mensch des Mittelalters an eine Erdscheibe glaubte, ist eine historische Fehleinschätzung, die erst im 19. Jahrhundert Verbreitung fand.

Parallel zur Ausstellung präsentiert das Planetarium "Die Macht der Sterne". Die Besucher erwartet eine spektakuläre Expedition vom "geschmiedeten Himmel" der Bronzezeit bis zu den Beobachtungen der Gestirne im Weltraumzeitalter.

Ein Himmel auf Erden - Das Geheimnis der Himmelsscheibe von Nebra 23.06. bis 10.11., Archäologisches Museum Hamburg - Helms-Museum, Museumsplatz 2, 21073 Hamburg, Di-So 10-17 Uhr, Führungen auf Anfrage beim Museumsdienst