mit Propst Johann Hinrich Claussen. Mußestunden und Genuss - das Leben eines Pastors im Sommer

Pastor sein - das ist der allerschönste Beruf auf der Welt, vor allem während der Sommerferien. Die anderen haben Urlaub, sind ausgeflogen, man selbst hält einsam Wacht in der Gemeinde. Keine Sitzungen, keine Ausschüsse. Die vielen, vielen Abendtermine fallen flach. Was aber nicht heißt, dass man nichts zu tun hätte. Man kann aufräumen und in Ruhe planen, bedenken, was der Herbst bringen wird. Und, ach ja, ganz so weit ist Weihnachten auch nicht mehr weg. Darüber könnte man schon mal sinnieren.

Oder ein Buch lesen, das heißt: ganz durchlesen. Dazu fehlt sonst die Muße. Dabei ist es außerordentlich wichtig, geistig regelmäßig nachzuladen, wenn man einen Beruf ausübt, in dem man ständig etwas von sich geben muss.

Zum Glück aber sind nicht alle verreist. So kann man im Sommer endlich ohne Hast die Gespräche führen, die sonst von den Alltagswichtigkeiten an den Rand gedrückt werden, und Seelsorge betreiben. Da weiß man dann wieder, warum man überhaupt Pastor geworden ist.

Schön ist es auch, in den Sommerferien Gottesdienst zu feiern. Einfach nur so. Ganz ohne festliche Anlässe und Event-Brimborium. Solche Gottesdienste sind keine "Dienste", sondern Stunden reiner Muße vor Gott. Dafür und davon leben wir eigentlich. Dass weniger Menschen kommen als sonst, macht mir gar nichts. Wer kommt, wird schon der Richtige sein. Der Hamburger Dichter Detlev von Liliencron hat das vor etwa 150 Jahren in seinem Gedicht "Dorfkirche im Sommer" so beschrieben: "Schläfrig singt der Küster vor, / schläfrig singt auch die Gemeinde. / Auf der Kanzel der Pastor / betet still für seine Feinde. // Dann die Predigt, wunderbar, / eine Predigt ohnegleichen. / Die Baronin weint sogar / im Gestühl, dem wappenreichen. // Amen, Segen, Türen weit / Orgelton und letzter Psalter. / Durch die Sommerherrlichkeit / schwirren Schwalben, flattern Falter." Wenn Sie im Sommer einmal Langeweile haben sollten, dann schneiden Sie sich diese Verse jetzt aus und lernen sie dann auswendig. Dann haben Sie nämlich einen guten geistigen Vorrat für das, was nach den Ferien auf Sie zukommt: den anstrengenden September, den durchmischten Oktober, den trüben November, den hektischen Dezember.