... beim Ensemble Resonanz im 6. “Resonanzen“-Konzert

Der Begriff "Notturno" weckt eine ganze Reihe von Assoziationen. Man denkt an Chopins romantische Nocturnes für Klavier, vielleicht an die gleichnamigen Orchesterstücke von Debussy und an die Gattung der "Serenata notturna", der nächtlichen Serenade, die zu Mozarts Zeit sehr beliebt war.

Aber Pustekuchen! Das alles führt uns auf eine ganz falsche Fährte. Denn wir sind ja hier beim Ensemble Resonanz. Und da werden die Programmthemen nicht einfach nach besonders naheliegenden Stücken abgeklopft, sondern gerne mal ironisch gebrochen und um die Ecke gedacht.

Mozart gibt es schon beim sechsten Resonanzen-Konzert unter Leitung von Peter Rundel. Aber eben keine kleine Nachtmusik, sondern eine echte Rarität. Das Kammerorchester spielt eine Bearbeitung der "Fantasie für eine Orgelwalze" KV 608, die Mozart für eins der ersten mechanischen Instrumente seiner Zeit geschrieben hat. Der Titel klingt ein bisschen putzig - doch die Musik ist gar nicht besonders heiter oder gar niedlich, im Gegenteil: Sie hat eine große emotionale Tiefe und warme melodische Bögen, wie man sie nun gerade nicht von einem Werk für eine Musikmaschine erwarten würde.

Auch das Titelstück des Konzerts, Helmut Lachenmanns "Notturno", widersetzt sich den Erwartungen. Wie könnte es anders sein - bei einem der eigenwilligsten Komponisten der Neuen Musik, der immer wieder unsere Hörgewohnheiten irritiert und traditionelle Klangverläufe aufbricht, um das Ohr frei zu machen für neue Erfahrungen, für ein erweitertes Zuhören.

Sein "Notturno" für Cello und Orchester ist 1966-68 entstanden und hebelt die Gewichtung eines Solokonzerts aus: "Im Gegensatz zur traditionellen Praxis wird hier das Orchester vom Solo 'begleitet', allerdings nicht im untergeordneten, sondern ganz souveränen Sinn: Der Solist bereitet vor, gleicht aus, modifiziert und rückt das Ganze immer wieder in eine andere Perspektive", schreibt Lachenmann über das Stück. In seiner Kadenz, die den üblichen Ton protziger Virtuosität durch schattenhafte, nächtlich wirkende Klänge ersetzt, erkundet der Solist sämtliche Winkel seines Instruments, vom Stachel bis zu Schnecke und ertastet dort unerhörte Töne und Geräusche. Ein typisches Beispiel dafür, wie Lachenmann den Musikbegriff ausdehnt. Und damit eine schöne Gelegenheit für Jean-Guihen Queyras, seine Experimentierfreude auszuleben. Der kanadische Cellist - Artist in Residence beim Ensemble Resonanz - ist eben nicht nur in der sogenannten Alten, sondern genauso in der Neuen Musik zu Hause.

Das zeigt er auch mit Kaja Saariahos "Près" für Cello und Elektronik: Ein dreisätziges Solostück aus einer ganz anderen, oft hektisch bewegten und mitunter explosiven Klangwelt. Dabei verwischt die finnische Komponistin die Grenzen zwischen akustischer und elektronischer Tonerzeugung. Sie lässt den Cellisten ein Fußpedal benutzen, um vorproduzierte Effekte von einer CD in sein Spiel zu mischen.

Zum Abschluss dieses mutigen Programms, das konsequent auf Werke aus dem Mainstream-Repertoire verzichtet, kehrt das Ensemble Resonanz einerseits wieder in die Wiener Klassik zurück und knüpft andererseits auch indirekt bei Lachenmann an: Dessen Schüler Manuel Hidalgo hat in seinem 2009 entstandenen "Zyklus von Kleinigkeiten" die Bagatellen von Beethoven für Streichorchester bearbeitet.

"Notturno" 19.5., 20.00, Laeiszhalle. Karten unter T. 35 76 66 66. Hörprobe am 18.5., 18.00, Laeiszhalle. Eintritt frei