Die Pianistin Khatia Buniatishvili liebt die Extreme

Pianisten sind eine besondere Spezies. Anders als viele Kollegen, die ein Orchesterinstrument spielen, bleiben sie meist für sich. Ihr Studium ist ein einsames Geschäft. Sie müssen allein klar kommen - jedenfalls einen Großteil der Zeit. Kein Wunder also, dass auf dem Klavierhocker eigenwillige Persönlichkeiten heranwachsen: introvertierte Tastentüftler und forsche Kraftmeier, verträumte Romantiker und rasante Rekordbrecher, um nur einige zu nennen.

Khatia Buniatishvili passt in keine dieser Kategorien. Die 24-jährige Georgierin vereint ein vulkanisches Temperament mit sanfter Sinnlichkeit, sie verströmt in einer Sekunde überschäumende Spielfreude, um im nächsten Moment in düsterer Melancholie zu gründeln. Dabei spiegeln sich die wechselnden Emotionen auch im Gesicht der feingliedrigen Frau mit den schwarzen Haaren.

Sie liebt die Extreme. Wenn Buniatishvili den lyrischen Klang des Klaviers auskostet, nimmt sie sich dafür alle Zeit der Welt - und stürmt dann in schnellen Passagen mit so aberwitzigen Tempi voran, dass einem der Atem stockt.

Die handwerklichen Grundlagen für ihre virtuose Technik hat sie schon von Kindesbeinen und -fingern an gelernt: Bereits im Alter von drei Jahren bekam sie lavierunterricht von der Mutter, mit sechs folgten die ersten Auftritte in Georgien, wenig später auch im Ausland. Eine steile Karriere, möchte man meinen - aber dieser Begriff ist für Buniatishvili selbst ein Fremdwort. Musik gehörte bei ihr einfach immer zum Leben dazu.

Nach ihrem Studium in Tiflis nahm Oleg Maisenberg sie in Wien unter seine Fittiche. Der große russische Pianist zählt zu ihren wichtigsten Förderern - neben Martha Argerich und dem Geiger Gidon Kremer, der Buniatishvili 2007 erstmalig zu seinem Kammermusikfest nach Lockenhaus einlud und damit einer größeren Öffentlichkeit bekannt machte. Seither reist die junge Künstlerin - die beim Rubinstein-Wettbewerb 2008 gleich drei verschiedene Preise gewann - als begehrter Tastenstar durch die Welt; ihre 2011 erschienene Liszt-CD wurde nahezu einhellig bejubelt. Für das Fachblatt "Rondo-Magazin" ist sie "ohne Zweifel einer der aufregendsten Neuzugänge unter den Weltklassepianisten seit Jahren."

In der Reihe "Rising Stars" gastiert Buniatishvili nun bei den Elbphilharmonie Konzerten in der Laeiszhalle. Im Zentrum des Programms stehen drei Scherzi von Chopin und die h-Moll-Sonate von Franz Liszt, eines ihrer Lieblingsstücke. Mit den starken Kontrasten ist die Sonate wie maßgeschneidert für Buniatishvilis Mut zum Risiko. Natürlich hat sie zu dem Stück ihre ganz eigenen Ideen, und sogar einen eigenen Film im Kopf. Ja, sie ist schon sehr besonders. Selbst unter den Pianisten.

Khatia Buniatishvili 22.5., 20.00, Laeiszhalle, Kleiner Saal. Karten unter T. 35 76 66 66