Simone Young und Christian Stückl bringen Richard Strauss' “Ariadne auf Naxos“ heraus

Wenn eine Koloratur eine funkelnde Girlande ist, dann ist die Arie der Zerbinetta in Richard Strauss' "Ariadne auf Naxos" eine diamantenbesetzte Märchenkrone, wie wir sie uns in unseren kühnsten Kinderträumen nicht vorgestellt haben: Drahtseilakt und zugleich Glanz- und Renommierstück im Repertoire jeder Koloratursopranistin, die auf sich hält. Schwindelnd hoch liegt die Gesangslinie; in atemberaubenden Kaskaden, Arpeggi und Trillern sucht das leichtfertige Mädchen mit Charme, Koketterie und unter Zuhilfenahme ihres reichen Erfahrungsschatzes die von ihrem treulosen Geliebten auf einer Insel zurückgelassene, untröstliche Ariadne aufzumuntern - Motto: Der nächste Mann kommt bestimmt.

Diese Kollision von Tragödie und Witz ist volle Absicht. Das Nach- und Nebeneinander von derbem Spaß und hohem Ernst kannte man seit der Barockoper. Doch wer hätte es je unternommen, unterschiedliche Genres, Handlungen und Musikstile in einem Stück übereinanderzuschichten, gar zu verschmelzen? Typen der italienischen commedia dell'arte auf Figuren der würdig-steifen barocken Opera seria treffen zu lassen? "Ariadne auf Naxos" ist vergnüglichstes Theater auf dem Theater und ein Geniestreich des kongenialen Duos, das Strauss und der Dichter Hugo von Hofmannsthal als Librettist jahrzehntelang bildeten.

Haarsträubend schon der Beginn: Ein reicher Emporkömmling lädt zur Aufführung einer Oper ein, besagter "Ariadne" eben - nebst lustigem Nachspiel. Aus Zeitnot verfällt er dann aber auch noch auf die Idee, die beiden Stücke nicht nacheinander, sondern gleichzeitig aufführen zu lassen. Ein origineller Einfall, gelinde ausgedrückt.

Gesagt, gespielt. Wie sich die Beteiligten durch den Wust der unvermeidlichen Verwicklungen und gekränkten Eitelkeiten schlagen, das ist ab Mitte Mai in einer Neuproduktion an der Staatsoper zu bewundern. Die Titelpartie singt die Sopranistin Anne Schwanewilms, den Part der Zerbinetta übernimmt die Koreanerin Hayoung Lee, einer der besonderen Publikumslieblinge des Staatsopernensembles. Die musikalische Leitung hat Opernchefin Simone Young. Regisseur Christian Stückl nimmt die Sache mit dem Theater auf dem Theater beim Wort und lässt im zweiten Teil Besucher der Staatsoper auf der Bühne Platz nehmen.

Die "Ariadne", wie sie sich an den Opernhäusern durchgesetzt hat, ist aber nur eine kleinere Ausgabe ihrer ursprünglichen Gestalt. Eigentlich hatten sich Hofmannsthal und Strauss nämlich etwas noch Ehrgeizigeres vorgenommen: Die Fassung von 1912 war eine Mischform aus Schauspiel auf der Grundlage von Molières Komödie "Der Bürger als Edelmann", Tanzeinlagen und Musiknummern. Nur dass sich dieses spartenübergreifende Werk der Theaterpraxis leider entzog, da "ein Publikum, das ins Schauspielhaus geht, keine Oper hören will, und umgekehrt, und weil man für den hübschen ,Zwitter' kein kulturelles Verständnis" hatte, wie der Komponist resümierte.

Daraufhin arbeitete Strauss die Oper kurzerhand um: Der Molière flog raus, die Schauspielmusik wurde als Orchestersuite recycelt, und "Ariadne" erhielt ein neues Vorspiel, in dem nun mehrheitlich gesungen wird. Seit der Uraufführung der zweiten Fassung 1916 hat Strauss' "hübscher Zwitter" seinen Platz in den Spielplänen gefunden.

"Ariadne auf Naxos" 13.5., 18.00, Staatsoper (Premiere). Weitere Vorstellungen: 17., 20., 23., 30.5. und 6.6., jeweils 19.30. Karten und zusätzliche Bühnen-Tickets (auch nachträglich für schon erworbene Karten) unter T. 35 68 68.