Esa-Pekka Salonen gastiert im Juni beim NDR Sinfonieorchester und bringt sein Violinkonzert mit, das Thomas Zehetmair spielt

Die Maßlosen kaufen sich wahrscheinlich Karten für beide Konzerte, für das am Donnerstagabend und für die Matinee am Sonntag. Denn wenn Esa-Pekka Salonen auftritt - der Wunderfinne, wie sie ihn halb andächtig, halb amüsiert in der seit alters von Engeln umflorten Stadt Los Angeles genannt haben, nachdem er ihr zuvor schon sehr achtbares Philharmonic Orchestra in vorolympische Höhen geführt hatte -, wenn Esa-Pekka Salonen, dieses musikalische Kraftzentrum auf zwei Beinen, das Podium betritt, dann erhöht sich die Energie im Raum von ganz allein, und man darf davon ausgehen, dass sich in den folgenden Stunden das ereignet, was ein Konzert immer der Konserve voraushaben wird: Magie. Jedenfalls eine sehr reelle Chance dazu.

Bei seinem Gastspiel in Hamburg ist Salonen aber nicht nur als der große Charismatiker am Pult zu erleben, sondern auch als Dirigent eines bedeutenden eigenen Werks, seines Violinkonzerts. Als es am 9. April 2009 uraufgeführt wurde, war die sprichwörtliche Tinte noch nicht trocken, und Salonen, zumindest hinsichtlich seines Komponierens von Jugendbeinen an ein Deadline-Schwein, musste hinterher noch allerlei nacharbeiten. Dass die Musik auch diesseits der Partitur-Perfektion von überragender Qualität war, entging schon den Uraufführungsbesuchern nicht. Die kanadische Geigerin Leila Josefowicz, die das Stück maßgeblich inspiriert hatte, spielte auch in den folgenden Jahren eine Reihe von Aufführungen des viersätzigen Werks, bei dem die Höhe der technischen Anforderungen mit der Tiefe der Emotionen einen spektakulären Spagat vollführt. Vor wenigen Wochen erst sprach die University of Louisville in Kentucky Salonen für das Violinkonzert den Grawemeyer Award zu, eine der weltweit bedeutendsten Auszeichnungen für Komposition.

Im Juni spielt Thomas Zehetmair das Stück, seinerseits ein Exzentriker der Empfindung und zugleich ein Liebhaber intellektueller Clarté auf der Violine. Mag sein, dass sich an mancher seiner Interpretationen die Geister scheiden; sein begnadetes Musikertum erkennen auch diejenigen an, die bemängeln, dass Zehetmair gelegentlich im Überschwang mal einen Ton nicht ganz genau trifft. Der in Salzburg geborene Geiger studierte dort am Mozarteum. Seine Solistenkarriere ist beeindruckend, auch als Geiger und Dirigent liefert er viele denkwürdige Konzerte. Mit seiner Frau, der Bratscherin Ruth Killius, bildet er ein Duo, beide gehören zum Zehetmair-Quartett, das etwa mit den Aufnahmen der Schumann-Quartette Maßstäbe gesetzt hat.

Über die Menschenscheu seiner Landsleute erzählt Salonen, ohnehin ein Selbstironiker von hohen Graden, die besten Witze. Worin unterscheidet sich der introvertierte Finne vom extrovertierten Finnen? Der introvertierte Finne guckt im Gespräch die ganze Zeit auf seine Schuhe. Der extrovertierte Finne wagt manchmal einen Blick auf die Schuhe seines Gegenübers. Salonens 17 Jahre langes Wirken in Los Angeles hätte die Stadt verändert, behaupten Ortsansässige, die Stadt aber auch ihn. Aus dem scheuen Schönen, als der er mit Mitte 20 vom Manager des LA Philharmonic bei einem Einspringer-Konzert in London entdeckt und geradewegs nach Kalifornien engagiert wurde, sei mit den Jahren ein umgänglicher, heiterer, offener Künstler geworden. Neben seinem Charakter ist auch Salonens Musik unter der kalifornischen Sonne gereift und, wie die Traube, süßer und vollmundiger geworden.

Bruckners vierte Sinfonie, die Romantische genannt, spielt Salonen mit dem NDR Sinfonieorchester auch. Das verdoppelt die günstigen Aussichten auf ein musikalisches Gipfeltreffen. Man sollte es sich zweimal gönnen.

Esa-Pekka Salonen/Thomas Zehetmair/NDR Sinfonieorchester 14.6., 20.00, 17.6., 11.00, Laeiszhalle. Karten unter T. 0180 178 79 80* oder www.ndrticketshop.de