Verletzte Gefühle, unklares Testament - oft die Gründe für den Streit um das Erbe. Acht Tipps, wie Familien ihn vermeiden können

Immer wieder gibt es Streit um das Erbe. Doch viel Streit lässt sich schon im Vorfeld verhindern, weiß Silke Dingwort Fachanwältin für Erbrecht. Sie ist Referentin bei der Reihe "Klar, ich werde älter", die von der Diakonie, dem Rauhen Haus und dem Nordelbischen Missionszentrum regelmäßig veranstaltet wird.

1. Warum gibt es so oft Streit um das Erbe?

Silke Dingwort:

Erbstreitigkeiten innerhalb von Familien, etwa unter Geschwistern, drehen sich oft nur vordergründig ums Geld. Tatsächlich geht es viel häufiger um Emotionales, um offene Rechnungen aus der Vergangenheit und die Erkenntnis, dass die Verteilung des Nachlasses die vermutlich letzte Chance ist, Gerechtigkeit im Verhältnis zu den übrigen Erben herzustellen. Streit entsteht oft auch durch unklar formulierte Testamente, wenn die Beteiligten angesichts eines unklaren Testaments - oft in bester Absicht - darum ringen, was der oder die Verstorbene tatsächlich gewollt hat.

Streit entsteht schließlich auch durch böse Überraschungen, etwa wenn potenziellen Erben zu Lebzeiten angekündigt wurde, was sich dann im Testament gar nicht wieder findet.

2. Was sind die häufigsten Unklarheiten beim Testament?

Dingwort:

Ein Testament zu machen heißt, weit in die Zukunft zu denken. Es ist ein Papier, das oft erst 30 Jahre nach dem Aufsetzen zum Tragen kommt. Die Welt hat sich jedoch weitergedreht, der Nachlass hat sich in seinem Bestand völlig verändert. Von denen, die ich begünstigt habe, leben manche schon nicht mehr, oder ich habe mich mit ihnen überworfen.

Sinnvoll ist es also, sein Testament alle paar Jahre zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren.

Eine klassische Unklarheit in Testamenten in rechtlicher Hinsicht ist die mangelnde Unterscheidung zwischen "Erbeinsetzung" und "Vermächtniszuwendung". Oft verteilen Erblasser mehr oder weniger ihren gesamten Nachlass nach Gegenständen an diverse Beteiligte, bedenken aber nicht, dass jeder Nachlass mindestens einen Erben haben muss. Erbe ist derjenige, der in die rechtlichen und wirtschaftlichen Fußstapfen des Verstorbenen tritt, den gesamten Nachlass abwickeln, die Beerdigung bezahlen muss.

Der "Vermächtnisnehmer" ist dagegen jemand, der nur einen bestimmten Gegenstand oder Geldbetrag von dem Erben aus dem Nachlass beanspruchen kann, zum Beispiel die Nachbarin oder die kirchliche Einrichtung. Diese Rollen müssen klar verteilt werden.

3. Wie können Erbstreitigkeiten rechtzeitig verhindert werden?

Dingwort:

Transparenz ist wichtig. Wer etwa mit seinen Kindern die Erbregelung offen bespricht, kann sie vor streitträchtigen Überraschungen schützen. Kinder in die eigenen Überlegungen einzubeziehen, verhindert auch, dass ihnen -in bester Absicht - etwas zugedacht wird, was nicht sie, sondern das andere Kind viel lieber gehabt hätte.

4. Wie können Kinder die Eltern taktvoll ansprechen?

Dingwort:

Es macht nur Sinn, wenn es eine vertrauensvolle Basis gibt, die dafür sorgt, dass Eltern eine solche Ansprache nicht als unangemessenen Versuch der Einflussnahme auf ihre "Testierautonomie" empfinden. Es gibt aber über das Testament hinaus auch Themen, die man ansprechen sollte, wie: was ist im Pflegefall, die Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung bis hin zur Beerdigung. Dann kommt das Thema Erbe ganz automatisch, aber klar muss immer sein, es geht um die Entscheidung der Eltern, wie sie ihr erworbenes Vermögen verteilen. Die gilt es zu respektieren.

5. Sollte man in jedem Fall ein Testament machen?

Dingwort:

Immer dann, wenn ein Blick auf die gesetzliche Erbfolge etwas anderes ergibt, als ich es möchte. Das ist oft der Fall, wenn ich in einer nicht eingetragenen Lebenspartnerschaft lebe und meinen Partner oder auch Stiefkinder begünstigen möchte. Denn ein gesetzliches Erbrecht gibt es hier ja nicht. Vor allem aber ist ein Testament dort sinnvoll, wo ich gemeinnützige Zwecke mit meinem Nachlass fördern will, etwa, weil ich gar keine näheren Verwandten habe, und alle mir nahe stehenden Personen wirtschaftlich ausreichend versorgt sind. Hier bietet sich die Einsetzung einer kirchlichen oder gemeinnützigen Organisation als Miterbe oder Vermächtnisnehmer an.

6. Braucht man für ein Testament rechtliche Beratung?

Dingwort:

Zwingend ist das nicht. Denn ein Testament muss nicht vor einem Notar errichtet werden. Die handschriftliche Form genügt insoweit ja auch. Aber eine Beratung sowohl, was die erbgesetzlichen Rahmenbedingungen betrifft, als auch die Beratung im Hinblick auf die möglichst präzise, vollständige und klare Formulierung eines Testaments, ist schon sinnvoll.

7. Hat der, der seine Eltern gepflegt hat, Anrecht auf ein größeres Erbe?

Dingwort:

Ja, nach einer Neuregelung hat ein Kind, welches den verstorbenen Elternteil intensiv gepflegt hat, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im Verhältnis zu seinen miterbenden Geschwistern. Wirtschaftlich wird der Erbteil auf diese Weise erhöht.

8. Der Erbstreit ist da, wie kann man zu einer Versöhnung kommen?

Dingwort:

Wichtig ist schon zunächst die Klärung der Situation in rechtlicher Hinsicht. So werden subjektive Fehlvorstellungen und entsprechende Frontenbildung vermieden. Man kann auch eine neutrale Person hinzuziehen, vielleicht einen Mediator. Er hilft bei der Klärung und dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen, gerade auch dort wo sie nicht nur wirtschaftlicher Art sind.