Breakdance ist mehr als ein Sport, er ist ein Lebensstil. Mit ihm kann man Aggression, Trauer und Glück ausdrücken. Ein Besuch beim “Battle of the Year“

Wir kommen mit dem Bus an - die Tür ist noch nicht offen, wir stehen ungeduldig davor. Wir freuen uns alle schon total. Denn wir sind Gast beim "Battle of the Year" in Hannover, der im August stattfand.

Wir stürmen in die Halle, wer einen guten Platz haben will, klettert über die Geländer. Freie Platzwahl heißt Kampf! Wir wollen alle nebeneinandersitzen und gut sehen können. Wir, das ist eine ganze Busladung voll Jugendlicher aus ganz Hamburg und dem Hamburger Umland, die sich dem Breakdance verschrieben haben. "Battle of the Year", die nationale Meisterschaft des Breakdance, ist der Höhepunkt des Jahres.

Es geht los! Ich fühle mich fast wie in New York City. Dort, wo in der Bronx dieser Tanzstil erfunden wurde. In ihm können Tänzer ihre Aggressionen ohne Gewalt ausleben

Man stellt die DJs und die Jury vor. Die Spannung steigt immer mehr. Die erste Crew wird mit donnerndemApplaus empfangen. Dann legen sie los. Uprocks, Downrocks und Powermoves bestimmen die Tanzfläche. Die Crews stellen ihr Programm vor, erzählen Geschichten mit ihren Choreografien. Uns hält es nicht mehr auf den Stühlen, die Musik und die Akrobatik der Tänzer sind unglaublich faszinierend und mitreißend.

Dann haben wir alle Crews einmal erlebt. So muss es damals, in den Anfängen des Breakdance, auch gewesen sein: Gruppen, die gegeneinander gekämpft haben. Erst mit Waffen, dann aberersatzweise durch Breakdance oderB-Boying, wie es in den frühen 70ern genannt wurde. Die "Battles" (Zweikämpfe) fanden damals natürlich auf den Straßen statt, in den Gettos von New York City.

Wut, Trauer, Aggression und Frust: Jugendliche, egal wann und wo, fühlen dies in sich. Aber besser, als dies mit echtem Kampf und mit echten Waffen auszutragen, wurden diese Gefühle in jenem sehr unkonventionellen Tanz ausgedrückt. Wer kann die besseren Moves? Wer hält die Freezes länger und besser? Dann die Musik, die das Ganze zusammenfügt. Battles sind die deutlich bessere Art und Weise, seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen. Und dies begeistert uns alle am Breakdance. Man fühlt sich miteinander verbunden, hat seine eigene Sprache, die jeder versteht, der damit zu tun hat. Vom Alltag abschalten, aber nicht nur chillen, sondern sich austoben, sich abreagieren, sich miteinander messen. Breakdance macht all das möglich.

Dieses Feeling, Gefühle in Bewegung umzusetzen, passend zur Musik. Das ist ein Lebensgefühl - ja sogar eine Lebenseinstellung. Für meinen Tanzlehrer, der uns auch heute nach Hannover begleitet, ist es die allerbeste Möglichkeit, Glück, Trauer, Verrücktheit, Ausgelassenheit und auch Aggression auszudrücken.

Für uns alle, die wir ihn kennen, ist er mehr als nur ein Lehrer, der uns etwas beibringt. Er lebt Breakdance. Er steht uns bei, er fordert uns, er fördert uns. Er ist uns häufig durch Breakdance näher als unsere Eltern. Er fühlt bei der Musik das, was wir fühlen. Er versteht uns und zeigt, wie wir uns ausdrücken können. Für ihn ist das Tanzen seine Berufung. Dadurch dass er uns die Bewegungen und Choreografien beibringt, haben auch wir diese Chance, uns auszudrücken, uns zu bekämpfen und auseinanderzusetzen. Aber wie in einer Familie wird nur gestritten. Wir zanken uns, aber wir verletzen uns nicht. Für viele von uns ist die Gemeinschaft, die durch das Tanzen entsteht, ein großer Halt im oft doch recht chaotischen Alltag.

Das Battle geht in die nächste Runde. Die Jury hat sich entschieden. Jetzt ist der Freestyle dran: freie Schrittfolgen zur selben Musik. Crews, die versuchen, sich mit ihren Sets zu übertreffen. Von insgesamt zehn Gruppen stehen sich schließlich die beiden Finalisten gegenüber. Der Gewinner vertritt sein Land beim internationalen "Battle of the Year". Bis zuletzt große Spannung, die Siegercrew wird bejubelt.

Die ganze Rückfahrt über sind wir noch ganz gefangen von der Stimmung. Stolz zeigen wir uns, was wir als Erinnerung mitgenommen haben: T-Shirt mit coolen Sprüchen, Headspinmützen sowie Ellenbogen- und Knieschützer sind die häufigsten Souvenirs von dieser grandiosen Veranstaltung.

Damit werden unsere nächsten Trainings bestimmt noch einmal so gut laufen. Und wir haben sie immer dabei - die Stimmung, die uns an diesem Abend alle miteinander verbunden hat.