Ein Schreibwettbewerb bringt acht deutsche und acht bosnische Schüler zusammen. Ein spannender Austausch

Eine Frau betritt unsere Klasse, sie ist klein und hat eine Baskenmütze auf, unter der ihre wuscheligen schwarzen Haare hervorgucken. Man sieht ihr an, dass sie aus einem anderen Land kommt. Ihr Name ist Emina Kamber. Sie kommt aus Bosnien und lebt seit 1968 in Hamburg, wo sie als freie Schriftstellerin, Autorin und Künstlerin arbeitet. Sie erzählt uns, dass sie mit acht Schülern sieben Tage nach Bosnien fliegen möchte und dass acht bosnische Schüler für weitere sieben Tage mit nach Hamburg zurückkommen. Dies sei ein von der EU finanziertes Projekt. Wir müssen für die Reise nichts bezahlen.

Teilnehmen darf, wer an einem Schreibwettbewerb zum Thema "Ausgrenzung" einen besonders gelungenen Text schreibt. Ein paar Wochen später bekommen wir das Ergebnis einer Jury. Wir sind vier Schüler aus der Wichern-Schule und vier weitere Schüler aus der Stadtteilschule Stellingen.

Mit dem Land Bosnien weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nichts anzufangen.

Im März 2011 geht es dann los. Es heißt: auf nach Bosnien, in ein für uns unbekanntes Land, auf nach Sarajevo - in eine für uns unbekannte Stadt. Wir fliegen von Hamburg über Wien und von dort weiter nach Sarajevo. Ein Bus holt uns ab und wir fahren nach Visoko, einem kleinen Ort, etwa 20 Kilometer von Sarajevo entfernt. Der Bus bringt uns zur Schule der Bosnier. Dort werden wir nett empfangen, stellen uns gegenseitig vor und lernen unsere Gastfamilie kennen. Ich finde meine Gastschwester gleich nett. Ihr Name ist Elma. Wir haben uns in der ganzen Zeit sehr gut verstanden.

In der Schule Kulin Ban sind wir in den ersten Tagen eine Attraktion. Alle gucken uns an, als wären wir von einem anderen Stern. Ich fühle mich etwas unwohl, aber das geht bald vorbei. Vormittags gibt es einen Workshop - wir schreiben weiter an unserer Geschichte und nachmittags besichtigen wir viele schöne Orte. Wir gehen in eine Pyramide, die ganz mit Gras überwachsen ist und von Weitem aussieht wie ein Berg.

An einem Tag fahren wir nach Sarajevo. Im Krieg von 1992 bis 1995 wurden etwa zwei Millionen Menschen vertrieben und 250 000 Menschen getötet. Die Spuren des Krieges sehen wir noch. In Sarajevo sind in fast jedem Haus noch Einschusslöcher oder andere Beschädigungen durch die Bomben sichtbar. Wir fahren an einem riesigen Friedhof vorbei. Ich bin erschrocken, man sieht auf einer relativ großen Fläche lauter weiße Kreuze. Sie stehen für die Menschen, die in diesem schrecklichen Krieg ums Leben gekommen sind. In dem Moment, als wir mit dem Bus an diesem Friedhof vorbeifahren, ist es mucksmäuschenstill und alle gucken geschockt auf die Kreuze.

Doch dann kommen wir in die Altstadt. Sie ist wunderschön, es sieht aus wie in "Tausendundeiner Nacht". Überall hängen Tücher und Lampen, es gibt viele kleine verwinkelte Gassen und eine große Moschee.

Als ich am Abend vor unserer Abreise mit meiner Gastschwester meine Koffer packe und sie ihren gleich mit, bin ich ein bisschen traurig. Es fällt mir schwer, dieses so andere Land und diese nette Familie zu verlassen, die mich so herzlich und gastfreundlich aufgenommen hat. Aber gleichzeitig bin ich auch froh, wieder zu meiner Familie zu kommen, zu meinen Freunden und in mein Leben zurückzukehren.

Am Hamburger Flughafen angekommen, stelle ich Elma meiner Familie vor. Ich glaube, die bosnischen Schüler sind ein bisschen überfordert - so viele Menschen, die sie überhaupt nicht kennen.

Am nächsten Nachmittag fahren wir in das Atelier von Emina Kamber. Mein Alltag hat mich am Vormittag schon wieder eingeholt. Ich war in der Schule und hatte natürlich auch Hausaufgaben auf. Aber ich freue mich riesig auf das Malen. Emina gibt uns schnell eine Einweisung und wir dürfen mit Pinsel und Farbe auf großen Leinwänden loslegen. Auch hier ist das Thema "Ausgrenzung". Ich überlege, eine Wiese zu malen mit Hügeln und Bäumen. Im Vordergrund soll eine alte Mauer stehen. Ich will damit zeigen, dass Mauern ausgrenzen. Wir malen drauflos und haben großen Spaß. Ich komme so oft ich kann nach der Schule ins Atelier, um zu malen.

Am Ende der Woche haben wir abends eine große Ausstellung in der Wichern-Schule. Einige von uns lesen ihre Geschichten vor und wir präsentieren unsere Bilder.

Heute, fast ein Jahr später, mailen Elma und ich uns immer noch. Ich erinnere mich gerne an die Zeit zurück und an die grenzenlose Gastfreundlichkeit der Bosnier.