Gründlich wird schon am Bahnsteig der Standort für einen sicheren Platz in der Bahn ausgesucht. Folgende Kriterien helfen dabei: fernab der Menschenmasse, nah an der Tür stehen und vor allem der Erste an der Tür sein.

Kaum ist man nach dem schnellen Einsteigen in der Bahn, wird mit Adleraugen nicht nur der erste, sondern auch der beste Platz anvisiert - einer am Fenster soll es sein. Mit starren Blick und zügigen Schritten wird das Objekt der Begierde angesteuert. Durch einen dominanten Blick wird dem Mitstreiter signalisiert, dass man bereit ist, mit allen Mitteln um diesen Platz zu kämpfen. Geschafft!

So oder so ähnlich spielt es sich täglich ab. Wenn man wie ich vom Dorf kommt und auf Rücksicht, sowie Höflichkeit gepolt ist, fällt es einem schwer, sich an die Gewohnheiten des Großstadtdschungels zu gewöhnen. Doch überwindet man seinen inneren "Schweinehund", fügt man sich schnell in die Spielregeln ein. Durch Selbstdisziplin und viel Training kann man sich jeden Tag neu seinen Platz in der S-Bahnhierarchie erkämpfen. Ganz nach dem Motto: "Fressen oder gefressen werden". In diesem Fall: "Sitzen oder stehen bleiben".

Auf die Schwachen und Kleinen wird keine Rücksicht genommen. Manches Tier ist "humaner" in seinem Sozialverhalten. Das Bewusstsein für diese Ungerechtigkeit verfliegt sofort, wenn es um die eigenen Ansprüche geht. Denn letztendlich ist sich jeder selbst der Nächste. Die wahren Sehenswürdigkeiten begegnen einem dann während der Fahrt. Und was man alles zu sehen bekommt.

Paradiesvögel in ihren buntesten Variationen, Aktentaschen tragende Pinguine und so manches Mal degradiert sich jemand selbst zum Affen.

Besonders die Sonnabend- und Sonntagmorgen laden dazu ein, die Brunftgewohnheiten der Platzhirsche, nach ihrer durchzechten Nacht, zu beobachten. So manches weibliche Wesen verwandelt sich im Zuge dessen in ein scheues Reh oder verteidigt wie eine Löwin sein Rudel.

Andere wiederum wünschen sich die Fähigkeiten eines Chamäleons. Einfach unsichtbar machen.

Es stellt sich mir die Frage: Warum streben wir danach, in die Savanne Afrikas, in die Wälder Indonesiens oder das unbekannte Eis zu reisen, wenn das Abenteuer doch jeden Tag so greifbar nah ist? In den Weiten des Hamburger Großstadtdschungels.