Dass das Sterben zum Leben gehört, kapiert man erst, wenn ein Angehöriger tot ist

So etwas vergisst man nie! Deshalb erinnere ich mich noch ganz genau an den Tag, obwohl es schon eine ganze Weile her ist. Mein Opa war sehr krank, schon lange, er hatte Leukämie. Er war in einem Krankenhaus und lag den ganzen Tag im Bett. So auch an einem Tag im Januar. Meine Eltern, meine zwei Geschwister und ich waren auf dem Weg ins verlängerte Wochenende, als meine Oma meinen Vater anrief und ihm die Nachricht überbrachte. Mein Opa war tot. Meine Eltern versuchten uns vorsichtig zu erklären, dass unser Opa von uns gegangen war. Meine Schwester fing an zu weinen, mein Bruder verstand nicht, was los war, und ich, ich war zutiefst erschüttert. Ich wollte gerne weinen, aber es kam keine Träne. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass mein Opa nicht mehr da war.

Damals habe ich mir vorgeworfen, dass ich nicht weinen konnte, ich dachte ich sei herzlos. Heute find ich es okay, jeder geht anders mit seiner Trauer um.

Wir fuhren ins Krankenhaus. Dort roch es nach Desinfektionsmittel und war so still, dass man meinen konnte, die ganze Welt wäre gestorben. Wir gingen in das Zimmer meines Opas. Er lag da, kreideweiß, und bewegte sich nicht. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Meine Mutter ging zu ihrem Schwiegervater und küsste ihn auf die Wange. Doch ich traute mich nicht, ihn zu berühren, er lag so still da. Dann kam ein Arzt, um den Tod zu bestätigen und wir mussten hinausgehen. Ich bin anschließend nicht noch einmal ins Zimmer gegangen, doch ich bin froh, dass ich meinen Opa noch einmal gesehen habe. Heute denke ich noch manchmal über meinen Opa nach und frage mich, wo er jetzt ist. Dann überlege ich mir, wie es wohl wäre, wenn er uns sehen könnte. Wenn ein Mensch stirbt, der einem nahestand, dann ist das ein Erlebnis, dass das Leben verändern kann.