Es ist manchmal schwer, mutig zu sein, aber oft genug nötig. Ein Aufruf zur Zivilcourage

Letztens saß ich in der Bahn und sah, wie zwei betrunkene Mädchen eine alte Frau fast umgestoßen haben. Sie haben ihren Kopf immer wieder gegen die Fensterscheibe gedrückt und sie angepöbelt. Dabei lachten sie und waren sich ihrer Überlegenheit vollkommen sicher.

Ich schaute nach rechts. Ich schaute nach links. Was ich sah, waren ausdruckslose Mienen. Menschen, die ihre Blicke senkten, aus dem Fenster starrten. Keine Regung in ihren Gesichtern, kein Entsetzen. Nichts. Wenn man genauer hinsah, bemerkte man ihre Angst in den Augen. Aber keine Angst um die alte, hilflose Frau. Sie hatten Angst um sich selbst. Sogar ein großer, kräftiger Mann, der einen Sitz weiter saß, senkte den Kopf, als würde die Welt ihn nicht interessieren.

Da stieg eine furchtbare Wut in mir auf. Wieso saßen die alle so dumm da? Warum half ihr niemand? In was für einer armen verkümmerten Welt leben wir denn, wo einen alles kaltlässt? Da erst merkte ich, dass ich genauso war wie die anderen Leute. Ich stand nicht auf. Ich mischte mich nicht ein. Als Gruppe hätten wir die Mädchen eingeschüchtert. Aber ich blieb sitzen und beobachtete angespannt das Geschehen. Zu feige, was zu tun. Am Ende stand doch noch ein Mann auf und schnauzte die beiden Mädchen an, die die verängstigte Frau in Ruhe ließen.

Als ich ausstieg schämte ich mich. Die Aktion zeigte: Der Selbsterhaltungstrieb der Menschen kommt zum Vorschein. Die Menschen bauen eine Schutzmauer auf. Das finde ich sehr traurig. Deswegen ist Zivilcourage ein Thema, das uns interessieren sollte. Man sollte Kinder und Jugendliche an Schulen über das Thema mehr aufklären und mit ihnen Verhaltenstraining absolvieren, bei dem sie lernen, respektvoll miteinander umzugehen.