Die Kunsthalle St. Annen zeigt die Installation “Unberührbar“ von Kurt Fleckenstein

Seine Installationen sind nie eindeutig, sondern stets ambivalent. Der Land-Art- und Installationskünstler Kurt Fleckenstein schafft Werke, in denen er scheinbar Vertrautes in einen unerwarteten Kontext stellt und damit völlig neue Assoziationen und Reflexionen ermöglicht. Für einen einzigen Tag verwandelte er 2007 die seelenlose Betonwüste einer Mannheimer Fußgängerzone in ein Biotop, indem er 400 quadratische Wiesenstücke mit einer Kantenlänge von jeweils einem Meter dort aufstellen ließ. Viel Aufsehen erregte bald darauf seine Aktion "Abgefertigt", für die er 100 Jugendliche mit verbundenen Händen und einer genormten Tasche für wenige Habseligkeiten vor das Brandenburger Tor setzte, um damit auf den Umgang von Behörden mit dem Schicksal von Migranten hinzuweisen.

Sein neues Projekt verwirklicht der auch international tätige und erfolgreiche Künstler in der Kunsthalle St. Annen am Rande der Lübecker Altstadt. "Unberührbar" heißt die große Installation, für die Fleckenstein den originalen Mast einer Hochspannungsfernleitung in drei Fragmenten vor und in die Kunsthalle legt. Der untere Teil befindet sich im offenen Vorraum, während die mittlere Sektion mit den Querarmen im ehemaligen Kirchenraum liegt und die Spitze bis in die Apsis hineinreicht.

Schnell erschließt sich dem Besucher die Kreuzform des riesigen Stahlobjekts, das mit seinen verschränkten Fachwerkstreben zugleich als technische Konstruktion wahrnehmbar ist. Es füllt den gesamten Erdgeschossbereich des modernen Ausstellungsraums und greift dessen ursprüngliche sakrale Funktion auf. In die Architektur der Kunsthalle St. Annen sind die Ruinenreste der Kirche des 1843 zerstörten ehemaligen Augustinerinnenklosters integriert. Gleich nebenan erstreckt sich das St.-Annen-Museum mit einer sehr bedeutenden Sammlung hoch- und spätmittelalterlicher Sakralkunst.

Kurt Fleckenstein hat diesen Ort vor knapp drei Jahren für sich entdeckt und sich an die Kunsthalle mit dem Vorschlag gewandt, hier eine Installation zu realisieren. Von ursprünglich drei Vorschlägen entschied man sich für das Projekt "Unberührbar", in dem sich aktuelle Aussagen und Bezüge zum Ort besonders sinnfällig verbinden.

"Noli me tangere" (Rühre mich nicht an), sagt Jesus im Johannesevangelium zu Maria Magdalena, die ihn als erste Zeugin nach der Auferstehung sieht. Die Unberührbarkeit des Heiligen ist ein wichtiges Motiv in der christlichen Ikonografie, doch Fleckensteins Projekt "Unberührbar" spielt darüber hinaus auf die Lebensgefahr an, die mit dem Berühren von spannungsführenden Teilen verbunden ist. "Der Strommast ist zugleich ein Symbol für die vier großen Stromerzeuger- und Monopolisten, die viele Verbraucher aufgrund ihrer Marktmacht als unantastbar empfinden", sagt Museumsdirektor Dr. Thorsten Rodiek, der das Projekt von Anfang an begleitet hat. Er verweist noch auf eine weitere Bedeutungsebene: "Das Kreuz, das sowohl für die Passion Christi als auch für die Macht der Kirche steht, liegt hier am Boden, was sich symbolisch für das Straucheln der vermeintlich so mächtigen Energieriesen verstehen lässt."

Unberührbar, Installation von Kurt Fleckenstein 4.3. bis 31.3., Kunsthalle St. Annen Lübeck, St.-Annen-Str. 15, 23552 Lübeck, Di-So 11.00-17.00, ab 1.4. Di-So 10.00-17.00