Die Zeitzeugengespräche in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme halten die Erinnerung wach

"Wie ist das möglich? Wie kann man so viel durchmachen?", fragte sich Teresa Stiland vielmals in ihrem zweiten Pariser Leben. Sie überlebte als Einzige aus ihrer Familie die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, war auch in Außenlagern des KZ Neuengamme inhaftiert und hatte Zwangsarbeit im zerstörten Hamburg geleistet.

Die alte Dame, 1925 als Matla Rozenberg im polnischen Tschenstochau geboren, ist mit ihrer Tochter Yolande Bismuth zum "Dialog zwischen den Generationen" eingeladen, den das Studienzentrum in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme jährlich Anfang Mai zum Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager veranstaltet. Stiland nimmt auch an den Zeitzeugengesprächen und Podien teil, zu denen Überlebende aus Osteuropa, Frankreich und Israel erwartet werden, darunter Paula Schemiavitz, mit der sich Stiland seit ihrer gemeinsamen Hamburger Leidenszeit nicht mehr getroffen hat.

Dem Terror der SS begegneten die inhaftierten Frauen mit Solidarität, erinnerte sich Stiland in einem Interview am 30. November 1991. "Wir haben uns Hilfe geleistet. Wenn es die eine nicht konnte, hat die andere etwas für sie gearbeitet." Matla Rozenberg war 19 Jahre alt, als sie fast verhungert und verdurstet aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen von den Briten befreit wurde. Im August 1945 kehrte sie in ihre Heimat zurück, suchte nach ihrer Familie, fand sie aber nicht mehr. Ihre Großmutter, die Eltern und sechs jüngere Geschwister waren von der SS im Vernichtungslager Treblinka ermordet worden. "Ich hatte niemanden mehr auf der Welt. Ein paar Jahre später hat mich ein Onkel aus Paris gefunden." 1957 zog sie zu ihm. Damals hatte sich die junge Frau ein normales Familienleben nicht mehr vorstellen können.

Es fiel ihr schwer, über ihre schrecklichen Erlebnisse zu sprechen oder sie fremden Menschen anzuvertrauen. Wie Teresa Stiland haben jedoch viele Opfer den Schritt getan, stellen sich immer wieder den Schrecken der Vergangenheit, um sie wach zu halten im Gedächtnis nachfolgender Generationen.

Entsprechend finden am 4. und 7. Mai Zeitzeugengespräche für Schulklassen und interessierte Jugendliche und Erwachsene in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme statt. Die Begegnungen mit Überlebenden dienen auch dem Erfahrungsaustausch über die Erinnerungskulturen in den Heimatländern. Außerdem geht es auch um das Nachdenken darüber, wie die Erfahrungen aus der Zeit des Holocausts erhalten und die Leiden der Verfolgung nach dem Ableben der Opfer weiter vermittelt werden können.

Zeitzeugengespräche 4. und 7. 5., jeweils 10.00, Studienzentrum, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg 75, Anmeldung unter T. 428 13 15 15 oder per E-Mail unter oliver.vonwrochem@kb.hamburg.de ; Infos auch unter www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de