Ein Gespräch mit Dr. Hartwig Fischer, dem künftigen Generaldirektor in Dresden

Im April wird der promovierte Kunsthistoriker Hartwig Fischer als Nachfolger von Martin Roth, der ans Londoner Victoria and Albert Museum wechselte, Generaldirektor in Dresden. Dort übernimmt er die Leitung der Staatlichen Kunstsammlungen, eines der größten deutschen Museumsverbünde mit zwölf Häusern und weltberühmten Sammlungen. Als Direktor des Museums Folkwang in Essen trat Fischer 2006 die Nachfolger von Hubertus Gaßner an, der die Leitung der Hamburger Kunsthalle übernahm. 1962 in Hamburg geboren, studierte Fischer in Bonn, Paris, Rom und Berlin Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie und arbeitete unter anderem an den Kunstmuseen Bonn und Basel. Wir befragten ihn zur Lage der Museen.

Museumswelt:

In welcher Weise hat sich die Bedeutung der Museen in den letzten Jahren gewandelt?

Dr. Hartwig Fischer:

Fast 110 Millionen Besucher, die bei der letzten veröffentlichten Erhebung 2010 in deutschen Museen verzeichnet wurden, zeugen davon, wie hoch die Akzeptanz tatsächlich ist. Die Kunstmuseen, und nur über diese kann ich sprechen, sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr viel aktiver geworden. Mit ihren Sammlungen, mit Ausstellungen, mit den Bildungs- und Vermittlungsangeboten stehen sie heute in einem direkteren kommunikativen Austausch mit ihrem Publikum als früher. Damit nehmen sie ihre gesellschaftliche Rolle heute stärker wahr und agieren zugleich unternehmerisch. Freilich immer mit dem Ziel, ihre Kernaufgaben besser erfüllen zu können: also die Sammlung auszubauen, zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln. Dazu gehören natürlich auch die Sonderausstellungen.

Sind Museen heute eher Bildungs- oder Freizeitangebote?

Fischer:

Ich halte diese Gegenüberstellung für völlig veraltet. Ein guter Museumsbesuch verbindet Bildung und Vergnügen als ein beglückendes Erlebnis. Beglückend ist die Auseinandersetzung mit etwas hoch Differenziertem, mit etwas sehr Entwickeltem und zutiefst Menschlichem. Ob das Freizeit oder Bildung ist, spielt für das Kunsterlebnis keine Rolle. Nur wenige Menschen gehen aus rein professionellen Gründen ins Museum, weil sie vielleicht Künstler, Kunsthistoriker, Galeristen oder Kunsthändler sind. Die meisten gehen dorthin, weil sie dort Schönes und Entscheidendes erleben können. Um diese Erfahrung geht es: Das ist gewonnene, das ist freie Zeit. Aber Freizeit, als Zeit, in der man nicht arbeitet, der Bildung gegenüberzustellen, geht an der Sache vorbei.

Gleichwohl stehen die Museen in einer Konkurrenzsituation mit kommerziellen Freizeitangeboten.

Fischer:

Die Museen sollten sich mit den Methoden der Freizeitindustrie auseinandersetzen und das Beste daraus aufgreifen, um es museumsgemäß umzusetzen. Die Museen stehen nicht in Konkurrenz zur Freizeitindustrie, sondern werden gemessen an den Ansprüchen, die die Menschen heute an sie stellen. Und diese werden durch verschiedene Faktoren geprägt. Die Freizeitindustrie liefert einen davon, aber nicht den Einzigen.

Museen sollen sammeln, bewahren, erforschen und vermitteln. Können sie das unter dem Kostendruck noch leisten?

Fischer:

Wenn man sich nur auf die Mittel beschränken würde, die die öffentlichen Träger zur Verfügung stellen, sicher nicht. Die Museen sind heute selbst bei der Erfüllung ihrer Kernaufgaben immer stärker darauf angewiesen, zusätzliche Mittel zu akquirieren. Das ist eine Gegebenheit, mit der wir arbeiten müssen. Trotzdem erwarten wir, dass sich die öffentlichen Träger klar zu diesen Institutionen bekennen und sie vernünftig finanziell ausstatten. Unabhängig davon sind wir auf das Vertrauen und die Unterstützung von Privatpersonen, Firmen und Stiftungen angewiesen. Nur in diesem Zusammenspiel liegt die Lösung.

Welche Bedeutung hat in Ihren Augen Hamburg als Museumsstadt?

Fischer:

Hier bin ich vielleicht ein wenig parteiisch, denn es ist meine Heimatstadt. Hamburg ist ein gutes, aber bei Weitem nicht das einzige Beispiel für die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements. Das betrifft nicht nur die Kunsthalle, sondern nahezu alle Museen. Sie haben großartige Sammlungen, sind sehr aktiv und werden weit über die Stadt hinaus wahrgenommen. Für Hamburg haben sie natürlich eine außerordentlich wichtige Rolle. Umso wichtiger ist, dass die Stadt ihre Verantwortung voll wahrnimmt.

Welche Ausstellungen haben Sie in letzter Zeit in Hamburg gesehen?

Fischer:

Zuletzt habe ich mir "Liebermann" in der Kunsthalle angesehen und "Wunder" in den Deichtorhallen.

Und welche Erwartungen knüpfen Sie an die Hamburger Museumsszene?

Fischer:

Ich erwarte, dass sie mich jedes Mal wieder neu durch ihre Sammlungen beglücken und durch die Ausstellungen anregen. Diese Erwartung teile ich gewiss mit allen Besuchern, ganz gleich ob sie nun aus Hamburg kommen oder zu einem Museumsbesuch in die Hansestadt gereist sind.